Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher (German Edition)
Strategie kann er dann, wie auch alle anderen, die er bewundert, sehr erfolgreich sein, damit macht er also gute Erfahrungen und die werden in seinem Frontallappen verankert und zu einer Haltung verdichtet. Diese Haltung lenkt nun künftig sein Denken, Fühlen und Handeln. Das tut ihm nicht gut und auch nicht allen anderen, denen er mit dieser Haltung begegnet und die er zur Durchsetzung seiner Ziele benutzt. Er selbst und alle anderen bezahlen dafür einen hohen Preis.
Aber auch das Gehirn eines solchen begeisterten Ressourcennutzers ist veränderbar. Wenn diese inneren Einstellungen und Haltungen, also diese Geisteshaltung oder Denkweise durch bestimmte Erfahrungen entstanden sind, die ein solcher Mensch bisher gemacht hatte, dann würden sich die für diese Haltungen verantwortlichen Netzwerke in seinem Frontalhirn recht schnell verändern, wenn es ihm möglich wäre, mit großer Begeisterung eine neue, eine andere Erfahrung zu machen. Zum Beispiel, dass es günstiger ist, langfristig zu denken und nachhaltige Lösungen zu suchen, dass das vielleicht auch gemeinsam besser gelingt als allein, dass mehr dabei herauskommt, wenn man andere einlädt, ermutigt und inspiriert, statt sie antreiben und kontrollieren zu müssen, dass das Leben mehr Freude macht, wenn man für sich selbst und für andere zu einem Potentialentfalter wird. Ein solcher Mensch wäre dann jemand, der selbst wieder zu einem Wegbereiter für den schwierigen Übergang von unserer bisherigen Ressourcenausnutzungskultur zu einer Potentialentfaltungskultur wird. Erstere kann man von oben lenken, Letztere entsteht von unten, in den Köpfen der Menschen, wenn sie eingeladen, ermutigt und inspiriert werden, sich endlich wieder als Entdecker und Gestalter ihrer eigenen Lebenswelt auf den Weg zu machen.
Potentialentfaltung im individuellen Lebenslauf
Eine Schnecke kann vorausschauend nur so weit denken, wie sie ihre Fühler herauszustrecken in der Lage ist. Mit deren Hilfe merkt sie, was auf sie zukommt oder auf was sie sich zubewegt. Dann kann sie entweder ausweichen, sich zurückziehen oder weiterkriechen. Wir sind schneller unterwegs als die Schnecken. Möglich ist das deshalb, weil wir Sinnesorgane haben, mit denen wir auch das schon riechen, hören und sehen können, was noch recht weit weg ist. Und wir können uns auch mehr merken und aus Fehlern, die wir in der Vergangenheit gemacht haben, lernen, wie sich ähnliche Dummheiten in Zukunft vermeiden lassen. Wir versuchen auch, die von uns bisher gemachten Erfahrungen an unsere Nachkommen weiterzugeben, in der Hoffnung, dass sie es in Zukunft besser machen als wir. Aber vorhersagen, wie sie und wofür sie all das nutzen werden, was wir ihnen hinterlassen, das können wir nicht. Was Menschen in Zukunft wichtig finden, ist einfach nicht vorhersagbar.
Das liegt daran, dass wir mit unserem Gehirn etwas können, wozu keine Schnecke und auch kein anderes Tier jemals imstande sein wird. Wir Menschen können uns für etwas interessieren, uns für etwas begeistern und etwas für sehr wichtig halten, was weder für unser Überleben noch für unsere Reproduktion irgendwie bedeutsam ist. Musizieren beispielsweise oder Golf spielen oder Schmetterlinge sammeln oder in die Oper gehen … unendlich lang ist die Liste all dessen, was sich Menschen alles ausdenken und dann oftmals ein ganzes Leben lang beharrlich verfolgen. Und das tun sie dann ja auch noch ganz freiwillig. Manchmal begeistern sich Menschen sogar so sehr für irgendetwas, dass sie dabei alles andere vergessen. Ihren eigenen Körper sowieso, aber oft auch ihre Kinder, ihre Familien und Freunde, ja sogar den Sex. Und manchmal breitet sich so eine Begeisterung für irgendetwas innerhalb einer Gesellschaft so schnell aus, dass man später, wenn man sich das mit etwas mehr Abstand noch einmal anschaut, den Eindruck gewinnt, es habe sich hierbei um eine ansteckende Krankheit gehandelt. Der Goldrausch muss so etwas gewesen sein. Aber irgendwann ist das Gold ja weitgehend ausgebuddelt, und dann kommen die Menschen wieder zur Besinnung. Doch wenn der Rausch ganz allmählich um sich greift und wenn das, wofür sich Menschen begeistern, auch noch etwas ist, was sie gebrauchen können, dann dauert es oftmals sehr lang, bis sie wieder zur Besinnung kommen. Manchmal so spät, dass man nur noch mit großer Mühe die Kurve kriegt.
Den Schnecken kann so etwas nicht passieren, jedenfalls nicht, solange sie noch in der Lage sind, ihre Fühler herauszustrecken, um zu
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