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Was wir sind und was wir sein könnten

Was wir sind und was wir sein könnten

Titel: Was wir sind und was wir sein könnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Hüther
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entscheidet darüber, wie und wofür sie ihr Gehirn mit Begeisterung benutzen, sondern nur das, was in ihren Augen für sie wichtig, was aus ihrer subjektiven Perspektive für sie wirklich bedeutsam ist. Und das ist nur selten und meist auch nur ganz am Anfang das, was wir als Eltern, Erzieher oder Lehrer für bedeutsam halten. Deshalb heißt dieser Anpassungsprozess ja auch Autopoiesis, also Selbstgestaltung, und nicht Xenopoiesis, Fremdgestaltung. Und deshalb können wir Kinder auch nicht nach unseren Vorstellungen formen und zu dem machen, was wir uns wünschen. Wir können sie nur einladen, ermutigen und inspirieren, all das als wichtig und bedeutsam für sich selbst zu bewerten, was wir selbst für wichtig und bedeutsam halten.
    Was aber erscheint uns in unseren Augen heutzutage als besonders bedeutsam? Wofür könnten wir nicht nur uns und unsere Kinder, sondern auch andere Menschen begeistern? Was würde uns guttun und ihnen auch?
    Die Antwort auf all diese Fragen ist so einfach: Wir könnten gemeinsam versuchen, über uns hinauszuwachsen. Wir könnten uns gegenseitig einladen, ermutigen und inspirieren, all das zu entdecken, was es miteinander und aneinander und in der Welt, in der wir leben, zu entdecken gibt. Wenn uns das bedeutsam wäre, würden wir lernen, uns selbst, die anderen und unsere Welt noch einmal anders, mit anderen Augen, mit einem offeneren Blick zu betrachten. So könnten wir vielleicht auch das wiederfinden, was wir unterwegs verloren haben: Die Freude an der Buntheit und Vielfalt unserer Welt, deren Teil wir sind und die es nur so lange geben wird, wie wir sie mit all unseren Sinnen erspüren und mit unserem zeitlebens lernfähigen Hirn vielleicht irgendwann auch begreifen und bewahren können.
    Dann wären wir wieder im Einklang mit dem, was das Leben in Wirklichkeit ist: kein sich selbst genügender und sich selbst erhaltender, sondern ein erkenntnisgewinnender Prozess.

Statt Mauern und Gräben könnten wir auch Brücken bauen
    »Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört«, – dieser Satz von Willy Brandt kennzeichnet den Beginn einer neuen Epoche. Nicht weil mit der deutschen Wiedervereinigung im Herbst 1989 etwas Weltbewegendes geschehen war, sondern weil hier erstmals mit wenigen und sehr einfachen Worten zum Ausdruck gebracht und damit bewusst gemacht worden ist, was gegenwärtig die Welt bewegt. Nicht wie bisher, dass sich zusammenschließt oder zusammenrottet, was entweder besonders gut zusammenpasst oder zusammen mächtiger ist als allein. Oder was in der Not zusammengefunden hat. Oder was mit eiserner Gewalt zusammengeschmiedet worden ist.
    All das existiert natürlich immer noch, aber jetzt erleben wir zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte, wie gleichzeitig und an vielen unterschiedlichen Orten auf unserem Planeten menschliche Gemeinschaften, die zum Teil über sehr lange Zeiträume hinweg sehr unterschiedliche Wege gegangen waren und sich dabei oft sehr weit voneinander entfernt hatten, wieder zusammenfinden, miteinander nach Lösungen suchen, einander kennenlernen und voneinander lernen. Das ist ein schwieriger Prozess, der nicht überall reibungslos gelingt, mit der Folge, dass sich bestimmte Gemeinschaften auch immer wieder einmauern, von anderen abgrenzen, andere ausnutzen, womöglich sogar unterdrücken und unterwerfen.
    Menschliche Gemeinschaften, die auf solche Reaktionsmuster zurückgreifen, verhalten sich ähnlich wie ein einzelner Mensch, der sich verunsichert und bedroht fühlt. In dessen Gehirn ist dann wegen allgemeiner Übererregung auch kein komplexes, handlungsleitendes Muster mehr abrufbar. Dann geht es im Hirn wie in einem Fahrstuhl abwärts, bis selbst bei größter Übererregung doch noch ein stabiles verhaltenssteuerndes Netzwerk abgerufen werden kann. Das sind dann oft nur noch die archaischen Notfallprogramme im Hirnstamm. Wenn die aktiviert werden, wird der betreffende Mensch versuchen, seine Probleme durch Angriff zu lösen, wenn das nicht geht, durch Flucht, und wenn beides nicht funktioniert, durch ohnmächtige Erstarrung. Ein Ausdruck eigener Stärke und innerer Kraft sind solche regressiven Verhaltensweisen nicht. Weder ein einzelner Mensch noch eine Gemeinschaft kann durch Ermahnungen, Drohungen oder gar durch Unterwerfung dazu gebracht werden, diese regressiven Verhaltensmuster aufzugeben und wieder nach komplexeren, also umsichtigeren und nachhaltigeren Lösungen für die entstandenen Probleme zu suchen. Nur die Rückgewinnung von

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