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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gruen
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rutsche ich aus – es ist, als würde ich in tiefem Sand laufen, und
ich überkompensiere, indem ich mich nach vorne werfe. Ich stolpere, rudere mit
den Armen und versuche, das Gleichgewicht wiederzufinden, bevor eines meiner
Körperteile zwischen die riesigen Stahlräder und die Schienen gerät.
    Ich fange mich und werde schneller, dabei suche ich jeden Wagen nach
etwas ab, an dem ich mich festhalten könnte. Drei geschlossene Waggons rasen an
mir vorbei. Ihnen folgen Viehwagen. Ihre Türen stehen offen, werden aber von
Pferdehintern versperrt. Das ist so merkwürdig, dass es mir auffällt, obwohl
ich irgendwo im Nirgendwo neben einem fahrenden Zug herlaufe.
    Ich laufe langsamer und bleibe schließlich stehen. Atemlos und
beinahe entmutigt drehe ich mich um. Drei Wagen weiter ist eine offene Tür.
    Ich werfe mich wieder nach vorne und zähle die vorbeifahrenden
Wagen.
    Eins, zwei, drei …
    Ich packe den eisernen Haltegriff und wuchte mich nach oben. Linker
Fuß und Ellbogen schlagen zuerst auf, dann knallt mein Kinn auf die
Metallkante. Mit allen dreien klammere ich mich fest. Der Lärm ist
ohrenbetäubend, und mein Kiefer prallt rhythmisch gegen den Eisenbelag. Ich
rieche entweder Blut oder Rost und frage mich kurz, ob ich mir die Zähne
ausgeschlagen habe, bevor mir aufgeht, dass diese Frage gefährlich nahe davor
ist, irrelevant zu werden – ich hänge waghalsig an der Türkante, das rechte
Bein schlackert Richtung Räder. Mit der rechten Hand umklammere ich den
Haltegriff. Mit der linken kratze ich so verzweifelt über die Dielen, dass ich
mit den Nägeln das Holz abschabe. Ich verliere den Halt – meine Schuhe haben
kaum Profil, und mein linker Fuß rutscht Stück für Stück auf die Tür zu. So
weit, wie mein rechtes Bein unter dem Zug hängt, bin ich sicher, dass ich es
verlieren werde. Ich wappne mich sogar schon innerlich, kneife die Augen zu und
beiße die Zähne zusammen.
    Nach ein paar Sekunden merke ich, dass ich immer noch unversehrt
bin. Ich öffne die Augen und überlege, was ich tun kann. Mir bleiben nur zwei
Möglichkeiten, und da ich nicht abspringen kann, ohne unter den Zug zu geraten,
zähle ich bis drei und werfe mich mit ganzer Kraft nach oben. Es gelingt mir,
das linke Knie über die Kante zu bekommen. Mit Fuß, Knie, Kinn, Ellbogen und
Fingernägeln ziehe ich mich hinein und breche zusammen. Erschöpft keuchend
bleibe ich auf dem Boden liegen.
    Dann bemerke ich ein schummriges Licht. Ich fahre hoch und stütze
mich auf einen Ellbogen.
    Vier Männer sitzen im Schein einer Kerosinlampe auf grobleinenen
Futtersäcken und spielen Karten. Einer von ihnen, ein verhutzelter, alter Mann
mit Bartstoppeln und hohlen Wangen, hält sich einen Tonkrug an die Lippen. In
seiner Überraschung hat er offenbar vergessen, ihn wieder abzusetzen. Das holt
er jetzt nach, dann wischt er sich mit dem Ärmel über den Mund.
    »Na so was, na so was«, sagt er langsam. »Was haben wir denn da?«
    Zwei der Männer sitzen regungslos da, sie starren mich über ihre
aufgefächerten Karten hinweg an. Der vierte steht auf und kommt auf mich zu.
    Er wirkt ungeschlacht und roh und trägt einen buschigen, schwarzen
Bart. Seine Kleidung ist verdreckt, seine Hutkrempe sieht aus, als hätte jemand
ein Stück herausgebissen. Ich rapple mich auf und stolpere nach hinten, nur um
zu merken, dass es da nicht weitergeht. Ich blicke mich um und merke, dass ich
an einem von zahllosen Leinwandbündeln lehne.
    Als ich wieder nach vorne sehe, steht der Mann direkt vor mir, sein
Atem stinkt nach Alkohol. »Hier auf’m Zug is’ kein Platz für Penner, Jungchen.
Kannst gleich wieder abspringen.«
    »Mach mal halblang, Blackie«, sagt der Alte mit dem Krug. »Schön
sachte, okay?«
    »Sachte, von wegen«, meint Blackie, als er nach meinem Kragen
greift. Ich schlage seinen Arm beiseite. Er langt mit der anderen Hand nach
mir, und ich ziehe den Arm hoch, um ihn zu stoppen. Unsere Unterarme knallen
hörbar gegeneinander.
    »Ho-ho«, feixt der Alte. »Vorsicht, Kumpel. Leg dich lieber nicht
mit Blackie an.«
    »Ich würde eher sagen, Blackie legt sich mit mir an«, rufe ich und
wehre einen weiteren Schlag ab.
    Blackie stürzt sich auf mich. Ich stolpere gegen einen der
Leinwandballen, aber noch bevor mein Kopf aufschlägt, werde ich wieder nach
vorne gerissen. Im nächsten Moment hat er mir den rechten Arm hinter den Rücken
gedreht, meine Füße baumeln über der offenen Türkante, und ich blicke auf den
Waldrand, der eindeutig zu schnell

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