Wassermusik
zu können.
Doch dann, im Jahre 1788, fand sich eine Gruppe von berühmten Geographen, Botanikern, Kamasutrikern und sonstigen Strebern nach Wahrheit in der Taverne «St. Alban’s» auf der Pall Mall ein, um die Afrika-Gesellschaft zu gründen. Das Ziel dieser Vereinigung war es, Afrika der Erforschung zu öffnen. Nordafrika bot hier kein Problem. Bereits 1790 hatten sie es abgesteckt, kartographiert, etikettiert, seziert und verteilt. Westafrika jedoch blieb weiterhin ein Geheimnis, und in seinem geheimnisvollsten Inneren floß der Niger. Im Gründungsjahr setzte die Gesellschaft eine Expedition unter Führung von John Ledyard in Marsch. Er sollte in Ägypten anfangen, die Sahara durchqueren und dann den Niger entdecken. Ledyard war Amerikaner. Er spielte Geige und schielte stark. Vorher hatte er mit James Cook den Pazifik überquert, er hatte die Andenerwandert, er war zu Fuß durch Sibirien bis Jakutsk gekommen. Ich habe die ganze Welt unter den Füßen gehabt, sagte er, die Furcht verlacht und Gefahren verhöhnt. Horden von Wilden, glühendheiße Wüsten, den eiskalten Norden, das ewige Eis und die tobende See habe ich unbeschadet überstanden. So gut ist mein Gott zu mir! Zwei Wochen nach der Landung in Kairo starb er an Amöbenruhr. Simon Lucas, Dolmetscher für orientalische Sprachen am königlichen Hof von St. James’s, war der nächste. Er ging in Tripolis an Land, marschierte hundert Meilen weit in die Wüste und litt bald unter Blasen an den Füßen, Durst und Angstneurosen, so daß er wieder heimkehrte, ohne mehr zuwege gebracht zu haben als Spesen in Höhe von 1250 Pfund Sterling. Und dann war da noch Major Daniel Houghton. Er war Ire, zweiundfünfzig Jahre alt und bankrott. Von Afrika wußte er überhaupt nichts, aber er war billig zu haben. Ich mach’s für dreihunnert Funt, sagte er. Und dazu ’ne Kiste schottischen Whisky. Houghton besorgte sich einen Einbaum und paddelte den Gambia stromaufwärts. Er trank aus fauligen Teichen und fraß Affenfleisch, und dank seiner eisernen Konstitution und dem pausenlosen Rauschzustand überlebte er Typhus, Malaria, Loa-Loa, Lepra und Gelbfieber. Leider fiel er den Mauren von Ludamar in die Hände, die ihn nackt auszogen und auf dem obersten Kamm einer Düne anpflockten. Wo er dann starb.
Mungo stand auf, um sich die Hosen hochzuziehen. Dassoud schlug ihn nieder. Das Geheul der Frauen entflammte die Menge bis zur Ekstase. «Friß Schwein, du Christ!» riefen sie. «Friß Schwein!» Ihre Einstellung gefiel Mungo gar nicht. Außerdem schätzte er es nicht, seinen Hintern vor gemischtem Publikum zu entblößen. Aber dagegen war nichts zu machen: beim leisesten Widerstand hätten sie ihm die Kehle durchgeschnitten und seine Knochen zum Bleichen ausgelegt.
Plötzlich hielt Dassoud einen Dolch in der Hand: schmal wie ein Eispickel, dunkel wie Blut. «Ungläubiger Hund!» kreischte er, und sein Hals stellte ein Venenrelief zur Schau. Ali hüllte sich in seine Burnusfalten und sah zu, düster und unbewegt. Die Temperatur im Zelt kletterte auf 50 °C . Die Menge hielt den Atem an. Dann richtete Dassoud die Klinge auf den Entdeckungsreisenden, während er drauflos schnatterte wie ein tollwütiger Anatom, der über Abartigkeiten der menschlichen Körperform referiert. Die Dolchspitze kam näher. Ali spuckte in den Sand. Dassoud peitschte die Menge weiter auf, Mungo erstarrte. Dann pikte ihn die Spitze – sehr sachte zunächst – ganz unten, wo er am weichsten war und am weißesten. Dassoud gluckste wie ein eingetrockneter Bach. Die Menge johlte und pfiff. In diesem Moment brach plötzlich ein ergrauter
bushrin
, der Stroh im Bart und eine leere Augenhöhle hatte, durch das Gedränge und stieß Dassoud beiseite. «Die Augen!» kreischte er. «Seht euch doch die Augen dieses Teufels an!»
Dassoud sah sie sich an. Das sadistische Grinsen wich einem erschrockenen, empörten Blick. «Die Augen einer Katze», zischte er. «Wir müssen sie auslöschen.»
AUFWÄRTS!
Rise erwacht mit Kopfschmerzen. Er hat Gin getrunken – alias Zieht-dir-die-Hosen-aus, Blauer Ruin, Wacholderfluch –, Entkräfter und Endstation der niederen Klassen, klar wie Säuferurin und beißend wie der Saft des Wacholders. Er hat Gin getrunken, und er ist nicht ganz sicher, wo er jetzt ist. Mit einiger Bestimmtheit erkennt er jedoch die Halbstiefel mit den löchrigen Sohlen, die behaarten Knöchel und das zinnoberrote Cape, die ihm als erstes ins Auge fallen. Ja, dieses Cape,
Weitere Kostenlose Bücher