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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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auslaufenden Schoners ankettete. Der Junge neben ihm, ein Bobo aus Djenné, war schon sechs Tage tot, als das Schiff in Charleston anlegte.
    Zwölf Jahre lang arbeitete Johnson auf der Plantage von Sir Reginald Durfeys, einem englischen Baronet. Dann wurde er zum Hausdiener befördert. Drei Jahre später sah Sir Reginald selbst einmal in Carolina nach dem Rechten, fand Gefallen an Johnson und nahm ihn als Kammerdiener nach London mit. Das war im Jahre 1771.   Die Kolonie hatte noch nicht revoltiert, in England war die Sklaverei noch erlaubt, in den Adern von Georg   III. zirkulierten bereits die zerstörerischen Porphyrine, die ihn den Verstand kosten würden, und Napoleon erstürmte gerade die Palisaden seines Laufställchens.
    In der Bibliothek von Piltdown, dem Landsitz der Durfeys’, begann sich Johnson – wie ihn Sir Reginald taufte – zu bilden. Er lernte Griechisch und Latein. Er las die Klassiker. Er las die Modernen. Er las Smollett, Ben Johnson, Molière, Swift. Er sprach vom Papst, als würde er ihnpersönlich kennen, machte ätzende Bemerkungen über die kindischen Romane von Samuel Richardson, begeisterte sich dafür aber so am Stil Henry Fieldings, daß er sogar versuchte, dessen
Amelia
ins Mandingo zu übersetzen.
    Durfeys war fasziniert von ihm. Nicht nur von seinen Kenntnissen in Sprache und Literatur, ebensosehr von seinen Erinnerungen an den Schwarzen Kontinent. Das ging so weit, daß der Baronet abends nicht mehr einschlafen konnte ohne eine Tasse heiße Milch mit Knoblauch und Johnsons beruhigenden
basso profondo
, der ihm Geschichten von strohgedeckten Hütten, von Leoparden und Hyänen erzählte, von Vulkanen, die Feuer in den Himmel spien, und von Schenkeln und Hinterteilen, die vor Schweiß glänzten und so schwarz waren wie ein Traum vom Inneren der Gebärmutter. Sir Reginald gewährte ihm einen recht ordentlichen Lohn, und nach seiner Freilassung im Jahre 1772 bot er ihm eine stattliche Rente, wenn er als Kammerdiener bei ihm bliebe. Johnson überlegte sich den Vorschlag bei einem Glas Sherry in Sir Reginalds Schreibzimmer. Dann grinste er und ging den Baronet erst mal um eine Gehaltserhöhung an.
    Während der Legislaturperiode des Parlaments verlegte Sir Reginald, begleitet von Johnson und zwei livrierten Lakaien, seinen Haushalt immer nach London. London war eine reife Tomate. Johnson war eine Makkaroni. In illustrer Gesellschaft flanierte er über die Bond Street; Zylinder, knapp taillierter Gehrock und Kniehosen aus Seide. Bald frequentierte er die Cafés, bewies Schlagfertigkeit und Witz und lernte, aus dem Stegreif hintersinnige Epigramme zu formulieren. Eines Nachmittags trat ein rotgesichtiger Gentleman mit Backenbart auf ihn zu, nannte ihn einen «verdammten Hottentotten-Nigger» und forderte ihn zum Duell auf Leben und Tod. Am nächsten Tag, bei Morgengrauen und in Gegenwart von Sekundanten, setzte Johnson dem Gentleman eine Kugel ins rechte Auge. DerGentleman war auf der Stelle tot, und Johnson kam in den Kerker. Bald darauf erging das Urteil: Tod durch den Strang. Sir Reginald ließ seine Beziehungen spielen. Die Strafe wurde in Deportation umgewandelt.
    Und so bekam Johnson, im Januar 1790, wieder einmal Beinschellen angelegt, was ihm die Strümpfe ziemlich ruinierte. Man brachte ihn an Bord der
H.M.S.   Feckless
, die ihn auf Goree absetzte, einer Insel dicht vor der Westküste Afrikas, wo er als Gemeiner in der Armee dienen sollte. Als er an Land ging, durchfuhr ihn ein uralter Schauer. Er war zu Hause. Zwei Wochen später, während er Nachtwache hatte, requirierte Johnson ein Kanu, paddelte zum Festland hinüber und verschmolz mit dem schwarzen Dickicht des Dschungels. Sein Weg führte ihn zurück nach Dindiku, wo er Nealis kleine Schwester heiratete und sich daranmachte, das Dorf von neuem zu bevölkern.
    Er war siebenundvierzig. Graue Strähnen durchsetzten sein Haar. Die Bäume wuchsen bis in den Himmel, und die Morgendämmerung kam heran wie eine Welle aus Blumen. Des Nachts ertönte der Schrei des Klippschliefers und das Bellen des Leopards, tagsüber das träge Summen der Honigbiene. Seine Mutter war inzwischen eine alte Frau, das Gesicht voller Furchen und eingetrocknet wie die mumifizierten Leichname, die er in der Wüste hatte liegen sehen – die Leichen von Sklaven, die nicht hatten mithalten können. Sie drückte ihn an ihre knochige Brust und schnalzte mit der Zunge. Es regnete. Die Felder gediehen, die Ziegen wurden fett. Er lebte in einer Hütte, ging

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