Way Out
schon irgendwas gemacht haben.«
»Nein, sie ist einmal ausgegangen«, sagte Groom. »Mrs. Lane, meine ich. Nicht Jade. Sie war allein einkaufen. Ich habe sie gefahren.«
»Wohin?«
»Staples.«
»Sie war in einem Geschäft für Bürobedarf?« Reacher hatte sie überall gesehen. Eine große Ladenkette, rot-weißes Dekor, riesige Geschäfte voller Zeug, für das er keine Verwendung hatte. »Was hat sie gekauft?«
»Nichts«, sagte Groom. »Ich habe zwanzig Minuten am Bordstein gewartet, aber sie hat nichts mitgebracht.«
»Vielleicht hat sie etwas zur Lieferung bestellt«, sagte Gregory.
»Das hätte sie online tun können. Dazu hätte ich sie nirgendwohin fahren müssen.«
»Dann hat sie sich vielleicht nur umgesehen«, meinte Gregory.
»Komischer Laden, um sich darin umzusehen«, sagte Reacher. »Wer macht das schon?«
»Die Schule fängt bald wieder an«, warf Groom ein. »Vielleicht hat Jade irgendwas gebraucht.«
»Dann wäre sie mitgekommen«, sagte Reacher. »Glauben Sie nicht auch? Und sie hätte irgendwelche Einkäufe dabeigehabt.«
»Hat sie etwas mit reingenommen?«, fragte Gregory. »Vielleicht hat sie etwas zurückgebracht.«
»Sie hatte ihre große Umhängetasche dabei«, sagte Groom. »Möglich wär’s also.« Dann hob er den Kopf und sah an Reacher vorbei. Edward Lane kam zurück. Er trug eine Art Seesack aus Leder, mit dessen Gewicht er zu kämpfen hatte. Fünf Millionen Dollar, dachte Reacher. So sehen sie also aus. Lane ließ den Sack am Durchgang zum Eingangsbereich zu Boden fallen. Er plumpste aufs Eichenparkett und blieb wie der Kadaver eines fetten kleinen Tiers liegen.
»Ich muss ein Bild von Jade sehen«, sagte Reacher.
»Wozu?«, fragte Lane.
»Weil Sie wollen, dass ich wie ein Cop vorgehe. Und Cops wollen immer als Erstes Bilder sehen.«
»Schlafzimmer«, sagte Lane.
Also stand Reacher auf und folgte ihm in ein Schlafzimmer. Der quadratische hohe Raum war kreideweiß gestrichen, schlicht wie eine Mönchszelle und still wie ein Grab. Beherrscht wurde er von einem Himmelbett aus Kirschholz mit zwei dazu passenden Nachttischen. Ebenfalls dazu passte eine Hochkommode, in der sich vielleicht ein Fernseher befand. Und ein Schreibtisch mit dazugehörendem Stuhl. Auf der Schreibtischplatte stand ein gerahmtes Foto: Querformat, acht mal zehn Zoll groß, eigentlich kein Porträtformat. Aber es war eindeutig ein Porträt, sogar ein Doppelporträt: rechts im Bild Kate Lane – dieselbe Aufnahme, die gerahmt im Wohnzimmer stand. Dieselbe Pose, derselbe Blick, dasselbe angedeutete Lächeln. Aber auf dem anderen Foto war das Objekt ihrer Zuneigung abgeschnitten: ihre Tochter Jade. Die vollständige Aufnahme zeigte links Jade, deren Haltung die ihrer Mutter widerspiegelte. Sie blickten einander liebevoll an, schienen kurz davor zu sein, über einen Scherz zu lächeln, den nur sie verstanden. Auf diesem Bild war Jade ungefähr sieben Jahre alt. Sie hatte langes schwarzes Haar, leicht gewellt, fein wie Seide, grüne Augen und einen Porzellanteint. Sie war ein hübsches kleines Mädchen – eine schöne Aufnahme.
»Darf ich?«, fragte Reacher.
Lane nickte, sagte nichts. Reacher nahm das gerahmte Bild vom Schreibtisch und betrachtete es genauer. Der Fotograf hatte die Bindung zwischen Mutter und Kind perfekt eingefangen. Nicht nur, dass Jade ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war, sondern auch die keinen Augenblick zweifelhafte Beziehung zwischen den beiden. Sie waren Mutter und Tochter, aber auch Freundinnen. Man konnte nicht übersehen, dass sie viel gemeinsam hatten. Das machte die Aufnahme noch großartiger.
»Wer hat sie fotografiert?«, fragte Reacher.
»Ich habe einen guten Mann in Manhattan gefunden«, antwortete Lane. »Ziemlich berühmt. Scheißteuer.«
Reacher nickte. Jedenfalls war der Typ sein Geld wert gewesen, obwohl dieser Abzug nicht ganz so gut wie der im Wohnzimmer zu sein schien. Die Farben wirkten etwas weniger natürlich, die Gesichtszüge ein bisschen plastikartig. Vielleicht war dies kein Handabzug, weil Lane sich das Geld für einen teuren Einzelabzug hatte sparen wollen, wenn es um seine Stieftochter ging.
»Sehr hübsch«, sagte Reacher. Er stellte das Foto behutsam wieder auf seinen Platz. Im Zimmer war es totenstill. Irgendwo hatte Reacher einmal gelesen, das Dakota sei das Gebäude mit der besten Lärmdämmung New Yorks. Es war erbaut worden, als man den Central Park umgestaltete. Der Bauunternehmer hatte fast einen Meter Lehmerde aus dem Park
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