Waylander
rasch von der Tortur erholte, spürte er noch immer die Nachwirkungen des Fiebers, das seine gemarterte Haut hervorgerufen hatte. Drei Tage lang hatte er sich in der Höhle ausgeruht, dann war er nach Norden gereist. Unterwegs hatte er eine kleine Gruppe von Keistas getroffen, die ihm eine übelriechende Salbe verkauft hatten, mit der er seine Schultern und den Rücken eingerieben hatte. Während er mit ihnen zusammen war, hatte eine junge Frau die Wunde an seiner Schläfe versorgt, und der alte Anführer der Keistas hatte ihm einen neuen Namen gegeben: Ochsenschädel. Mit Hilfe eines Bronzespiegels hatte Waylander die Wunde untersucht. Sie war angeschwollen, dunkelrot und dick, die Haut darüber zerfetzt. Er erinnerte sich an die Schwertklinge, die gegen seinen Kopf gekracht war, und stellte fest, daß sie sich gedreht und ihn mit der flachen Seite getroffen haben mußte. Die Schwellung in seinem Auge hatte deutlich nachgelassen, aber seine Sehfähigkeit wurde durch grelles Sonnenlicht noch immer beeinträchtigt, da das Auge dann heftig tränte.
Der Anführer der Keistas, ein verwelkter, heiterer Greis, untersuchte seinen Kopf, indem er auf ihm herumdrückte und klopfte.
»Nichts kaputt, Ochsenschädel. Du wirst leben.«
»Wie weit ist es bis Raboas?«
»Fünf Tage, wenn du ohne acht zu geben reitest. Sieben, wenn du die Augen offen hältst.« Das Mädchen kam mit einem Krug kaltem Wasser und badete Waylanders Kopf. Sie war zierlich und hübsch, ihre Hände sanft.
»Meine jüngste Frau«, erklärte der alte Mann. »Gut, ja?«
»Gut«, pflichtete Waylander ihm bei.
»Du trägst viele Waffen, Ochsenschädel. Führst du Krieg?«
Waylander nickte. »Ich möchte ungern denken, daß ich mit weniger Habseligkeiten von hier fortginge, als ich bei meiner Ankunft hatte.«
»Dein schwarzes Pferd ist wild«, entgegnete der alte Anführer. »Er hat meinen ältesten Sohn in die Schulter gebissen.«
»Er hat ein unberechenbares Temperament. Wenn deine Leute meine Besitztümer wieder an einem Ort zusammentragen, werde ich sie in meine Decke einrollen. Mich beißt das Pferd nicht.«
Der alte Mann kicherte und entließ das Mädchen, doch sein Lächeln verging, als die Zeltklappe fiel und er mit dem Fremden allein war. »Du wirst gejagt, Ochsenschädel. Viele, viele Reiter suchen dich.«
»Ich weiß.«
»Einige sind Nadir. Andere kommen aus dem Süden.«
»Auch das weiß ich.«
»Die aus dem Süden tragen schwarze Umhänge, und ihre Augen sind kalt. Sie sind wie eine Wolke vor der Sonne, und unsere Kinder haben Angst vor ihnen - die Jungen sind so scharfsichtig.«
»Es sind böse Männer«, sagte Waylander. »Ihre Versprechen sind nichts als Staub, aber ihre Drohungen werden mit Blut beschworen.«
»Das weiß ich«, sagte der Keista-Führer. »Sie versprachen Gold für Wissen und Tod für Schweigen.«
»Wenn sie zurückkommen, sag ihnen, daß ich hier war.«
»Das hätte ich ohnehin getan. Warum suchen sie dich? Bist du ein König im Exil?«
»Nein.«
»Was dann?«
Waylander breitete die Hände aus. »Ein Mann macht sich viele Feinde.«
Der alte Mann nickte grimmig. Er hatte seine dunklen Augen fest auf den Mörder gerichtet.
»Weißt du, weshalb ich so lange am Leben geblieben bin?« fragte er, beugte sich vor und goß seinem Gast einen Becher Lyrrd ein.
Waylander zuckte die Achseln, nahm den Becher und trank einen tiefen Zug.
»Weil ich gesegnet bin. Ich sehe Dinge im Nebel der Gedanken. Ich wandere die Geiststraßen entlang und beobachte die Geburt von Bergen. Nichts ist vor mir verborgen. Die Südländer verehren die Dunkelheit und ernähren sich von den Herzen von Säuglingen. Sie essen das lange grüne Blatt und reiten auf den Nachtwinden. Aber dich können sie nicht finden. Diese Männer, die in einer dunklen Höhle selbst die kleinste Fledermaus jagen könnten, können einen Reiter auf einer trockenen Ebene nicht finden! Wenn ich meine Augen schließe, kann ich alle Dinge sehen - die Kinder, die hinter dem Zelt spielen, deine grasenden Pferde, meine jüngste Frau, wie sie meiner ältesten Frau erzählt, daß sie Angst vor meiner Berührung hat, weil sie sie an den Tod erinnert. Und doch kann ich dich nicht sehen, Ochsenschädel. Woran liegt das?«
»Ich weiß nicht.«
»Du sprichst die Wahrheit. Aber ich weiß es. Irgendwo hast du einen Freund, einen Freund mit großer Macht, der einen Zauber über deinen Geist gelegt hat. Nur mit wahren Augen kann man dich sehen.«
»Ich habe einen solchen
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