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Waylander

Waylander

Titel: Waylander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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ihre Knopfaugen gingen alarmiert auf, und sie huschte davon, als sie die Anwesenheit von Menschen spürte. Ihre Nüstern zitterten, doch in der feuchten Luft war der Geruch des Feindes nicht wahrzunehmen. Sie drehte sich um, erfüllt von namenlosem Entsetzen, quiekte und rannte ins Freie. Mehr und mehr ihrer Kameraden folgten ihr in einer panischen Flucht um ihr Leben. Aus Kanälen, Entwässerungsgräben und vergessenen Abwasserschächten strömten die Ratten in den Hof, angezogen von dem Kreis der Priester. Die erste Ratte legte sich neben Astila. Sie wußte nur, daß hier im Hof das Ende der Furcht war. Nichts konnte ihr etwas anhaben, solange sie so lag, im Mondschatten des Menschen. Andere folgten ihr, und ein großer Kreis bildete sich um die Priester.
    Von den Mauern herab sah Karnak fasziniert zu, während um ihn herum seine Offiziere und Soldaten das Zeichen des Schützenden Horns schlugen.
    Hunderte von Ratten scharten sich um die Priester, kletterten über ihre Gewänder und auf ihre Schultern. Sarvaj schluckte, wandte die Augen ab. Gellan schüttelte den Kopf und kratzte sich den Arm.
    Dardalion hob langsam seinen Arm, Gellan registrierte die Bewegung.
    »Öffnet die Tore. Langsam, nur ein paar Handbreit oder so!« Gellan blickte zu dem Soldat auf dem Torturm hinauf. »Was kannst du sehen?«
    »Keine Bewegung vom Feind.«
    So leise sie konnten, hoben die Soldaten am Tor die mit Bronze beschlagenen Riegel von den Torflügeln und zogen sie auf.
    Die erste Ratte blinzelte und schauderte, als die tröstliche Decke der Sicherheit von ihr abglitt. Sie hastete zum Tor, und die Horde folgte ihr.
    Die Nachtluft war kühl, als die schwarze Masse sich den Hügel hinabrollte und in die stillen Straßen von Purdol quoll, weiter auf die Marktplätze und zu den Zelten der vagrischen Armee. Ein Meer von Ratten strömte über die kopfsteingepflasterten Straßen in die Zelte.
    Ein Mann erwachte, als eine schwarze Ratte über sein Gesicht huschte. Er fuhr mit einem Schrei auf und schlug wild um sich. Dann fiel eine zweite von seiner Schulter, landete in seinem Schoß und schlug ihre Zähne in seinen Schenkel. Weitere Schreie hallten durch die Nacht, als die Ratten weiterzogen. Um sich schlagende Männer zerbrachen Zeltstangen, so daß die weißen Planen sich um sie blähten, andere rannten über die Straßen, um sich ins Meer zu stürzen. Ein brennendes Kohlebecken stürzte um, und Flammen leckten an trockener Leinwand, während der leichte Wind aus Osten das Feuer anfachte und es von Zelt zu Zelt weiterspringen ließ.
    Hoch auf den Mauern von Purdol hallte Kar-naks Gelächter von den Bergen wider, während aus der Stadt die Geräusche der Panik aufstiegen.
    »Es passiert nicht oft, daß Verwandtenbesuch mit einer solchen Vorstellung begrüßt wird«, sagte Sarvaj. Jonat kicherte.
    »Götter, was für ein Höllenspektakel«, sagte Gel-lan. »Dardalion!« rief er. »Komm her und sieh dir dein Werk an.«
    Der Priester in der silbernen Rüstung schüttelte den Kopf und führte die Dreißig zurück ins Hospital, wo Evris sie erwartete.
    »Sehr schön, junger Mann«, sagte er und ergriff Dardalions Hand. »Wirklich sehr schön. Was kannst du mit Kakerlaken machen?«
    Dardalion grinste. »Ich glaube, das lasse ich mir für einen anderen Tag, Evris, wenn du nichts dagegen hast -«
    Astila, aufmerksam wie immer, fing Dardalion auf, als er fiel.
    »Bring ihn hier hinein«, sagte Evris und stieß die Tür zu seinem eigenen Zimmer auf. Astila legte Dardalion auf das schmale Bett und zog ihm die silberne Rüstung aus. Evris nahm Dardalions Handgelenk. »Der Puls ist kräftig. Ich denke, er ist erschöpft - wann hat er zuletzt geschlafen?«
    Astila zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, Doktor. Aber ich selbst habe von den letzten achtzig Stunden nur drei geschlafen. Es ist so viel zu tun -so viele Verwundete und Sterbende. Und dann bei Nacht .«
    »Ich weiß. Die Bruderschaft schleicht durch die Dunkelheit.«
    »Wir werden sie nicht mehr lange aufhalten können. Bald werden wir sterben.«
    »Wie viele sind es?«
    »Wer weiß?« antwortete Astila müde. »Sie haben Verstärkung bekommen. Letzte Nacht hätten wir beinahe Baynha und Epway verloren. Und heute nacht ...?«
    »Ruh dich etwas aus. Du mutest dir zuviel zu.«
    »Das ist der Preis der Schuld, Evris.«
    »Es gibt bestimmt nichts, dessen du dich schuldig fühlen müßtest?«
    Astila legte seine Hände auf die Schultern des Arztes. »Alles ist relativ, mein Freund. Man lehrt uns,

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