Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
deine Tochter kommt eines Tages einfach nicht mehr nach Hause. Na ja, du hast natürlich auch recht, davor Angst zu haben ... aber dennoch steht diese Entscheidung nur ihr allein zu, wenn die Zeit dafür gekommen ist.
»Soll das heißen, du bittest mich darum, ihre Fragen nicht mehr zu beantworten? Oder verlangst es sogar von mir?«, fragte er. »Soll ich etwa mit meiner eigenen Enkeltochter nicht über mein Leben sprechen dürfen?«
»Das habe ich doch gar nicht gemeint!« Sebastian spürte sofort, dass Collum diese Vorstellung völlig aufrichtig von sich wies. »Du bist ihr Großvater, und sie liebt dich. Sie möchte alles über dein Leben wissen, und es ist dein gutes Recht, ihr alles zu erzählen, was du ihr erzählen möchtest. Du solltest auch stolz auf das sein, was du ihr alles erzählen kannst; ich an deiner Stelle wäre das auf jeden Fall, weiß Gott! Ich ... mache mir nur Sorgen.«
»Hast du schon mit Fiona darüber gesprochen?«
»Ich würde es nicht gerade ›darüber gesprochen‹ nennen.« Collum schüttelte den Kopf mit einem Gesichtsausdruck, den Sebastian nur zu gut kannte. Immerhin war Fiona ihrer Mutter ausgesprochen ähnlich.
»Ich habe deutlich gesagt, was mich beunruhigt«, fuhr Collum fort, »und ich glaube, ihr geht es ähnlich. Aber sie hat diesen verdammten O'Shaughnessy-Gleichmut. Sie schüttelt dann den Kopf und murmelt irgendetwas von ›niemanden zu seinem Glück zwingen‹ oder von ›kochen‹, ›heiß‹ und ›essen‹.«
»›Gleichmut‹ ist nun nicht gerade eine typische Eigenschaft der O'Shaughnessys«, merkte Sebastian nüchtern an. »Glaub mir, das hat sie aus ihrer mütterlichen Linie der Familie. Aber sie hat dennoch nicht ganz unrecht. Es wird dir nicht gelingen, Alley von irgendetwas zu überzeugen, das sie selbst für falsch hält. Und du wirst sie auch nicht dazu bewegen können, irgendetwas zu unterlassen, das sie für richtig hält.«
»Das weiß ich.« Collum atmete tief durch. »Und ich weiß, dass es auch nicht gerade von heute auf morgen geschehen wird. Aber sie vergöttert dich, Sebastian, und dieser Tradition New Dublins gegenüber ist sie nicht völlig immun. Ich will damit nicht sagen, sie hätte vielleicht nicht sogar dann in Erwägung gezogen, zum Corps zu gehen, wenn ihr Großvater ein unscheinbarer kleiner Zivilist gewesen wäre und kein Kriegsheld. Ich glaube, zumindest darüber nachgedacht hätte sie trotzdem. Aber ich will ganz ehrlich sein: Die Vorstellung macht mir Angst.«
»Das ist doch ganz natürlich«, erwiderte Sebastian mit sanfter Stimme. »Und du weißt ganz genau, dass ich das Ganze nie irgendwie verklärt habe, und ich habe auch nie damit hinter dem Berg gehalten, wie unschön das alles sein kann. Aber ich vergöttere die Kleine eben auch - aber das weißt du ja selbst. Wenn sie wirklich ernsthaft über eine Militärlaufbahn nachdenkt, dann möchte ich, dass sie auch weiß, wie es beim Corps wirklich läuft. Ich möchte, dass sie über das Schlechte schon vorher genauso Bescheid weiß wie über das Gute. Und ich verspreche dir: Ich werde sie niemals dazu ermutigen, irgendetwas hinter deinem Rücken zu unternehmen, Collum.«
»Das hätte ich auch niemals angenommen.« Collum erhob sich und legte seinem Schwiegervater eine Hand auf die Schulter. »Ich denke, mir ist vor allem wichtig, mit jemandem darüber reden zu können.«
Kapitel 1
Der Command Sergeant Major der 502. Brigade in der 17. Division des Imperial Marine Corps blickte auf, als jemand forsch und, wie es die Tradition verlangte, zweimal an seine Bürotür klopfte.
»Herein!«, sagte er mit leicht erhobener Stimme. Sofort öffnete sich die Tür.
Skeptisch schaute er zu, wie die hochgewachsene, breitschultrige junge Frau den Raum betrat, sofort vorschriftsmäßig Haltung annahm und schneidig salutierte. In dieser Ehrenbezeigung steckt eindeutig noch ein bisschen zu viel Camp Mackenzie, ging es ihm durch den Kopf. Zu viel Hochglanzpolitur, zu viele Ecken, die sich noch nicht so weit abgeschliffen haben, wie es nötig ist. Doch bei frischgebackenen Absolventen vom wichtigsten Ausbildungslager des Corps - auf Alterde selbst! - war nichts anderes zu erwarten.
»Private DeVries meldet sich zur Stelle, Sergeant Major!«, erklärte sie mit klarer, deutlicher Stimme.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie mit der gleichen nachdenklichen Miene, die schon zahllose Generationen neuer Marines über sich hatten ergehen lassen müssen. Das rotgoldene Haar der
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