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Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Wehe Dem, Der Gnade Sucht

Titel: Wehe Dem, Der Gnade Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. E. Lawrence
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Pistole auf seinen Kopf. Er bemerkte nicht, dass Charlotte auf wackeligen Beinen hinter ihm stand. Mit einem grotesken Grinsen lud er die Waffe durch. Charlotte hatte einen dicken Knüppel in der zitternden Hand, der wie ein Wanderstock aussah. Es blitzte wieder, und der Wind blies Charlotte das nasse Haar aus dem Gesicht. Sie hob den Knüppel mit beiden Händen über den Kopf, und ihr sonst so sanftes Gesicht war vor Raserei verzerrt.
    Sie schlug zu. McNamara sank getroffen in die Knie, als ein weiterer Donnerschlag den Himmel erbeben ließ. Lee versuchte aufzustehen, doch die Schmerzen waren unerträglich. Er brach erneut zusammen. Charlotte Perkins wand McNamara die Pistole aus der schlaffen Hand. Doch er war noch immer bei Bewusstsein. Unsicher versuchte er auf die Beine zu kommen, während Charlotte auf seine Brust zielte.
    Eric lehnte sich an die Reling der Plattform.
    »Gib – mir – die – Waffe, Charlotte«, befahl er matt.
    Mit versteinertem Gesicht zielte sie auf seine Brust. »Hast du meinen Bruder getötet?«, fragte sie tonlos und vollkommen ruhig.
    »Er – hat – mich – angelogen«, stammelte McNamara und sah mit verschleiertem Blick in die Mündung der Pistole. »Er hat mir versprochen …«
    »Es ist mir egal, was er dir versprochen hat«, zischte Charlotte. »Du hast ihn umgebracht, und jetzt wirst du dafür bezahlen!«
    »Nein!«, ächzte Lee, doch es war zu spät.
    Die Mündung der Waffe blitzte auf, ein kurzer gelber Feuerschein vor dem dunkler werdenden Himmel. Lee wusste nicht, ob es ein Donnerschlag, oder der Schuss aus der Pistole war, der in seinen Ohren dröhnte. McNamara sah Charlotte mit einer Mischung aus Schock und Überraschung an. Auf seiner Brust erblühte eine hellrote Blume. Dann kam er unsicher wieder auf die Füße, ließ die Reling der Plattform los und fiel durch einen Zwischenraum direkt in den darunter tosenden Wasserfall. Lee beobachtete, wie der Körper auf die Felsen schlug, von den reißenden Wassermassen erfasst wurde, und schnell stromabwärts trieb, während ein weiterer Donnerschlag den Himmel mit seiner Wucht erschütterte.
    Lee blieb lange genug bei Bewusstsein, um zu sehen, wie ein gezackter Blitz quer über den Himmel jagte. Dann wurde um ihn herum alles schwarz.

KAPITEL 63
    Achtundvierzig Stunden später saß Lee an einem Tisch an der Frontscheibe vom McSorley’s und wartete darauf, dass Detective Leonard Butts auftauchte. Vor ihm standen zwei Krüge kaltes Bier – einer für ihn und einer für den Detective. Man konnte bei McSorley’s nicht einfach einen Pitcher bestellen. Es wurden immer nur zwei serviert – entweder hell oder dunkel. Lee hatte je eines von beiden bestellt. Die Sonne schien durch das große Panoramafenster. Es war ruhig in der Kneipe, nur ein paar Geschäftsleute verbrachten hier ihre verspätete Mittagspause.
    Die erst zwei Tage zurückliegenden Ereignisse kamen Lee noch immer so irreal vor, als hätte er sie nur geträumt. Er erinnerte sich vage daran, dass Butts die Stufen zur Plattform heraufgekommen war, und Charlotte die Pistole weggenommen hatte. Nachdem sie Eric McNamara erschossen hatte, war sie wieder so sanft geworden wie ein Kätzchen. McNamaras Leiche fand man schließlich am Fuße des Wasserfalls, wo sie zwischen zwei Felsen eingeklemmt war. Ein paar Äste und Blätter waren auf ihrem Weg stromabwärts in seinen Haaren hängen geblieben, sodass er an eine groteske Version des Grünen Mannes erinnerte. In seiner Tasche hatte er ein Jagdmesser gehabt, und es gab wohl keinen Zweifel daran, wofür er es hatte benutzen wollen.
    Lee erinnerte sich auch an den langen, schmerzhaften Weg den Pfad hinunter, obwohl er das lieber vergessen hätte. Es hatte ihn schlimmer erwischt als Diesel, der lediglich eine Fleischwunde abbekommen hatte. Wie sich herausstellte, hatte Lee einen dreifachen Rippenbruch und ein gebrochenes Nasenbein. Irgendwie hatten sie es dennoch zu viert den Hügel hinunter geschafft. Butts fuhr sie zur Notaufnahme in der nächsten Stadt und hatte die ganze Zeit gebrummelt, dass das alles nur seine Schuld sei, und er nun sofort mit Diät und Sport loslegen würde.
    Lee trank einen großen Schluck Bier und sah sich um. Er mochte die Atmosphäre im McSorley’s, weil es seine Wurzeln in der irischen Arbeiterklasse nicht verleugnete. Der Boden war mit einer dicken Lage Sägespänen bedeckt. Eine noch dickere Staubschicht lag auf den Musikinstrumenten, Bildern und Fotos, die jeden freien Zentimeter der Wand

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