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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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pulsierte vor Schmerz, aber sie hörte erst auf zu laufen, als sie weit genug von zu Hause fort war, so weit weg, daß sie sicher war, ihre Mutter würde ihr nicht folgen.
    Dann begriff sie selbst in ihrer Verwirrung, daß sie sich irrational verhielt. Wie sollte ihre Mutter ihr folgen können? Sie war eine alte Frau, und sie brauchte einen Stock, um laufen zu können.
    Doch das Gefühl dauerte an und tief innerlich wußte Diana, daß sie ihr ganzes Leben damit gelebt hatte.
    Ihre Mutter hatte sie gehaßt und ihre Forderungen an Diana hatten nichts damit zu tun, daß sie sie beschützte. Es hatte damit zu tun, daß sie sie versklavte.
    Aber warum? Es konnte nicht sein, weil ihr Vater gestorben war. Nein, es mußte etwas anderes sein.
    Aber was?
    Was immer es war, es war erschreckend - beängstigend.
    Wenn ihr Verstand sie doch nur nicht im Stich ließe. Wenn sie sich erinnern könnte. Wenn sie sich bloß erinnern könnte. Irgendwie, tief verloren in der schwarzen Leere ihrer Erinnerung, lag die Erklärung für den Haß ihrer Mutter.
    Sie stürmte weiter durch die Nacht, wollte umkehren und war doch nicht imstande dazu.
    Die Antwort lag im Bergwerk. Irgend etwas war dort geschehen, und sie mußte davon wissen, mußte sich daran erinnern.
    Das Fragment eines Gedankens drang in ihren Verstand. Vielleicht war sie verrückt und brauchte Hilfe. Doch wenn sie sich offenbarte, würde man ihr Christie wegnehmen, so, wie man ihr ihr Baby weggenommen hatte.
    Ihr Baby genommen hatte?
    Nein, ihr Baby hatte man ihr nicht genommen. Es war gestorben.
    Aber wenn es gestorben war, warum konnte sie es dann noch weinen hören? Es konnte nicht gestorben sein. Es mußte irgendwohin gebracht worden sein.
    Wohin gebracht? Von wem?
    Ihre Mutter. Nur ihre Mutter war dagewesen, als sie das Baby bekommen hatte. Also hatte ihre Mutter das Baby irgendwohin gebracht. Es weggebracht und es jemandem gegeben.
    Oder es getötet.
    Sie näherte sich jetzt dem Bergwerk und sie blieb stehen. Plötzlich begann alles einen Sinn zu machen.
    Das war der Grund, warum ihre Mutter das Bergwerk sprengen lassen wollte - ihre Mutter hatte ihr Baby getötet und es in das Bergwerk gebracht.
    Irgendwo in diesem Labyrinth von Stollen und Schächten, die den Hügel durchlöcherten, wartete ihr Baby auf sie.
    Sie betrat das Bergwerk und in ihrem Verstand wirbelten chaotische Gedanken durcheinander. Ein Teil von ihr wollte kehrtmachen und heimrennen, wollte das Bergwerk verlassen und die schrecklichen Gedanken hinter sich lassen, die in ihrem Kopf tanzten, die sie verhöhnten, sie quälten, sie peinigten.
    Ihr Baby war nicht tot.
    Sie würde nicht zulassen, daß es tot war.
    Es war ihr Baby, nicht das ihrer Mutter, und ihre Mutter hatte kein Recht, es ihr wegzunehmen.
    Aber das hatte ihre Mutter getan. Das mußte es sein, was ihre Mutter getan hatte.
    Hatte ihr das Baby weggenommen und es getötet.
    Genauso, wie sie ihr Christie wegnehmen wollte.
    Diana spürte, wie ein Schauer ihren Körper durchlief, und sie begann zu schwitzen. Sie hatte einen schrecklichen Fehler gemacht.
    Sie hatte ihre Mutter mit Christie allein im Haus gelassen, und ihre Mutter war wütend.
    Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie der Stock auf sie niederschlug und sie erinnerte sich der Hilflosigkeit, die sie empfunden hatte.
    Und dann änderte sich die Szene. Sie sah Christie, die in der Kinderstube schlief, zusammengerollt in der Wiege lag.
    Und Edna stand über sie gebeugt, ihre Augen zornerfüllt, ihre Wut maßlos.
    Sie sah, wie der Stock sich in die Luft hob, sah, wie die knorrigen Hände ihrer Mutter ihn umklammerten, ihn für einen Augenblick über Christies schlafendem Gesicht verweilen ließen.
    Und dann sauste der Stock herunter, krachte auf den Kopf des schlafenden Kindes.
    Diana schrie auf, und der Klang ihrer eigenen Stimme schien sie aus ihrer Vision zu befreien. Sie machte kehrt und rannte vom Bergwerk weg, floh aus der Schwärze des Lochs im Berg, floh vor der Furcht, die aus der Nacht kam.
    Sie rannte, bis sie zu Hause war, und als sie die Treppen zum Obergeschoß emporhastete, kam ihr Atem in keuchenden Stößen.
    Nach Luft schnappend stürzte sie in die Kinderstube.
    Christie lag in der Wiege, und ihre Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, als sie in Dianas gequältes Gesicht schaute.
    »Baby«, babbelte Diana. »O Baby, hat sie versucht, dir weh zu tun? Ich werde nicht zulassen, daß sie dir weh tut, Baby. Nicht wieder. Niemals wieder.«
    Ein Schrei ballte sich in Christies

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