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Wehe wenn der Wind weht

Wehe wenn der Wind weht

Titel: Wehe wenn der Wind weht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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zuschlug. In der Küche fand sie einen alten Schuhkarton voller Kräuter. Sie leerte den Karton und setzte das Küken behutsam hinein. Dann schlich sie so leise sie konnte die Hintertreppe zum Obergeschoß hoch und betrat die Kinderstube.
    Aber es gab keine Möglichkeit, die Tür wieder zu verschließen. Nun, vielleicht würde Diana denken, sie hätte vergessen, sie abzuschließen.
    Wohlbehalten wieder in der Kinderstube gelandet, setzte sich Christie in den Schaukelstuhl und öffnete den Karton. Das Küken hatte sich in eine Ecke gekauert. Es schaute sie ängstlich an. Sie griff nach ihm und berührte es. Das Küken senkte seinen Kopf und huschte in die gegenüberliegende Ecke des Kartons.
    »Ist doch gut, mein Kleines«, flüsterte Christie ihm zu. »Ich tu dir ja nichts. Ich bin dein Freund.«
    Sie nahm das Küken in die Hand und hielt es so lange, bis es ruhig war. Dann setzte sie das Küken zurück in den Karton und stellte ihn neben das Kinderbett auf den Boden. Sie zog den Bademantel aus und kuschelte sich unter den Decken zusammen.
    Irgendwie fühlte sie sich besser, weil sie einfach wußte, daß das Küken da war. Und bald schlummerte sie ein.
    Edna Amber wartete fast bis drei, bevor sie ihr Zimmer verließ. Sie war fast die ganze Nacht wach gewesen, aber das war so in Ordnung. Mit zunehmendem Alter brauchte sie weniger Schlaf, und heute hatte es einen Grund dafür gegeben, wach zu bleiben.
    Sie hatte die scharrenden Geräusche in der Nacht gehört und war aus dem Bett gestiegen, um ihnen auf den Grund zu gehen. Sie hatte beobachtet, wie Christie sich vom Küchendach herunterließ und auf den Boden sprang.
    Sie war verwirrt, als sich Christie zum Hühnerhaus begab, und erst als sie sah, wie das Kind zum Haus zu rückkehrte und dabei etwas bedeckt in seiner Hand hielt, verstand Edna, was sie machte.
    Sie hatte sich ein Küken geholt, um Gesellschaft zu haben.
    Als der Wind zu wehen begann, kam Edna der Gedanke.
    Jetzt zog sie ihren Morgenmantel an, stieg die Stufen zum Obergeschoß empor und betrat leise die Kinderstube. Es klang, als schliefe Christie, und auf dem Boden neben dem Bett stand der Karton.
    Edna nahm den Karton hoch, öffnete ihn und lächelte über das schlafende Küken.
    Dann drehte sie ihm den Hals um.
    Sie legte das Küken wieder in den Karton zurück, stellte diesen auf den Boden und hielt inne, während sie sich aufrichtete, um Christies Wange mit ihren Lippen zu berühren.
    »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Es tut mir wirklich leid.« Christie rührte sich im Schlaf, aber sie wachte nicht auf.
    Als der Mond unterging und das Leuchten der Nacht der Finsternis wich, kehrte Edna Amber in ihr Bett zurück.
    Diana wachte um sieben auf, lag im Bett und lauschte der Stille des Morgens. Sie hatte schlecht geschlafen, sich Sorgen über Bill Henrys Reaktion am vorherigen Abend gemacht. Sie wußte, daß irgendwann in der Nacht der Wind von den Bergen gekommen war, der die Alpträume mit sich brachte, die sie in ihrem Schlaf quälten. Es war so gewesen, seit sie ein kleines Mädchen war und sie hatte sich immer nach dem Sommeranfang gesehnt, wenn der Wind bis zum nächsten Jahr erstarb und sie friedlich schlafen konnte.
    Nur zweimal war der Wind im Sommer gekom men, und Diana erinnerte sich sehr gut an diese Jahre.
    Das letzte Mal war es in dem Jahr gewesen, als ihre Mutter sie ins Krankenhaus geschickt hatte. Es war ein schreckliches Jahr für Diana gewesen, und die Sommerwinde waren zuviel für sie. Jedermann in Amberton war in diesem Sommer sehr reizbar gewesen, doch Diana war in Depressionen verfallen. In diesem Sommer hatte sie sich ständig mit ihrer Mutter gestritten, aber sie wußte eigentlich nicht genau, warum. Im Lauf der Jahre hatte sie festgestellt, daß mit Edna zu streiten fast nutzlos war.
    Sie siegte nie.
    Jedoch in diesem Sommer hatte sie es versucht. Sie erinnerte sich an einen Tag besonders gut.
    Der Wind hatte an diesem Tag geweht, und der Wagen wollte nicht anspringen.
    »Was hast du damit gemacht?« hatte Edna gefragt.
    »Nichts, Mutter. Er ist eben alt.«
    »Sei nicht albern, Kind. Du mußt doch etwas gemacht haben.«
    »Das habe ich nicht, Mutter. Autos werden nun mal nicht gebaut, um zwanzig Jahre gefahren zu werden.«
    »Wenn man sich um sie kümmert, dann halten sie auch.« Die Stimme ihrer Mutter hatte diesen nörgelnden Ton angenommen, den Diana fürchten gelernt hatte. »Aber du kümmerst dich ja um nichts! Das hast du noch nie getan.«
    »Mutter, das ist nicht

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