Weihnachten - Gedichte und Geschichten: Eine Weihnachtsgeschichte, Nußknacker und Mausekönig, Der Schneemann, Die Eisjungfrau, Schneeweißchen und Rosenrot, ... denkwürdige Neujahrnacht (German Edition)
kommen?«
»Es tut mir sehr leid, Sir«, sagte Bob. »Ich habe mich verspätet.«
»Nun, Sie gestehen es ein«, wiederholte Scrooge. »Ich will’s auch meinen. Kommen Sie erst mal hier herein.«
»Es ist nur einmal im Jahre, Sir«, sagte Bob, aus seinem Kabuff nähertretend. »Es soll nicht wieder vorkommen. Ich war ziemlich vergnügt gestern, Sir.«
»Nun, ich will Ihnen was sagen, Freundchen«, meinte Scrooge, »ich kann das nicht länger so mitansehen. Und daher«, fuhr er fort, von seinem Stuhl springend und Bob einen solchen Stoß vor die Brust gebend, daß er wieder in seinen Kabuff zurückstolperte, »und daher will ich Ihr Gehalt erhöhen!«
Bob zitterte und rückte dem Lineal etwas näher. Er hatte sogar augenblicklich die Idee, Scrooge eins damit auf den Kopf zu geben, ihn zu packen und die Leute draußen um Hilfe und eine Zwangsjacke anzurufen.
»Fröhliche Weihnachten, Bob!« sagte Scrooge mit einem Ernst, der nicht zu mißdeuten war, indem er ihn auf die Schulter klopfte. »Fröhlichere Weihnachten, Bob, als ich Sie so manches Jahr habe feiern lassen. Ich will Ihr Gehalt erhöhen und mich bemühen, Ihrer Familie aufzuhelfen. Wir wollen heute nachmittag bei einer Weihnachtsbowle voll dampfenden Punsch über Ihre Angelegenheiten sprechen, Bob! Schüren Sie das Feuer an und kaufen Sie eine andere Kohlenschaufel, ehe Sie wieder einen Tüpfelchen auf ein i setzen, Bob Cratchit!«
Scrooge bewährte sich durchaus. Es tat alles und mehr noch, als er versprochen hatte; und zu Tiny Tim, der nicht starb, war er wie ein zweiter Vater. Er wurde ein so guter Freund und so guter Mensch, wie ihn die liebe alte City oder jede andere liebe alte Stadt oder Dorf in der lieben alten Welt nur gesehen. Einige Leute lachten freilich darüber, daß sie ihn so verändert sahen. Aber er ließ sie lachen und kümmerte sich wenig darum: denn er war weise genug zu wissen, daß nichts Gutes in dieser Welt geschehen kann, worüber nicht von vornherein einige Leute lachen müssen. Weil er aber wußte, daß solcherlei Leute doch blind bleiben würden, dachte er bei sich, es sei besser, daß sie ihre Gesichter zum Lachen in Falten legten, als daß sie das auf weniger anziehende Weise täten. Sein eigenes Herz lachte, und das war ihm genug.
Er hatte keine fernere Berührung mit Geistern und lebte ein recht solides Leben. Aber immer sagte man ihm, er verstehe Weihnachten recht zu feiern, wenn es überhaupt ein Mensch verstünde. Ah, ließe sich doch dies wahrhaftig auch von uns allen sagen! Und so schließen wir mit des armen kleinen zarten Tiny Tims Worten: Gott segne uns alle und jedermann.
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1 Wie Laokoon, der Priester, von Schlangen umstrickt, so umwand sich Scrooge mit seinen Strümpfen.
2 Joe Miller, ein zur Zeit Dickens’ gefeierter englischer Komiker.
Weihnachten
(Joseph von Eichendorff)
Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus der Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit.
Von dem Schneider, der bald reich wurde
(Brüder Grimm)
E in armer Schneider ging einmal zur Winterszeit über das Feld und wollte seinen Bruder besuchen. Unterwegs fand er eine erfrorene Drossel, sprach zu sich selber: »Was größer ist als eine Laus, das nimmt der Schneider mit nach Haus!«, hob also die Drossel auf und steckte sie zu sich. Als er an seines Bruders Haus kam, schaute er erst zum Fenster hinein, ob sie auch zu Haus wären, da sah er einen dicken Pfaffen bei der Frau Schwägerin sitzen vor einem Tisch, auf dem stand ein Braten und eine Flasche Wein. Indem klopfte es an die Haustür, und der Mann wollte herein, da sah er, wie die Frau den Pfaffen geschwind in einen Kasten schloß, den Braten in den Ofen stellte und den Wein ins Bett schob. Nunmehr ging der Schneider selbst ins Haus und hieß seinen Bruder und seine Schwägerin Willkommen, setzte sich aber auf den Kasten nieder, in dem der Pfaffe steckte. Der Mann sprach: »Frau, ich bin hungrig, hast du nichts zu essen?«
»Nein, es tut mir leid, es ist aber heute gar nichts im Hause.« Der Schneider aber zog seine erfrorene Drossel heraus, da sprach sein
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