Weihnachtsengel gibt es doch
mich vorsichtshalber auf das Schlimmste vorbereiten.“
„Das Schlimmste wäre …?“
„Dass wir wirklich schließen müssen und ich ohne Arbeit dastehe.“
„Was willst du deswegen unternehmen?“
Maureen schenkte ihr ein angespanntes Lächeln. „Ich könnte einen Job im Bücherbus bekommen, aber mir wird während der Fahrt immer schlecht. Ich hab meinen Lebenslauf online gestellt. Mal sehen, vielleicht kommt ja was dabei herum. In der Zwischenzeit versuche ich, mich auf das Krippenspielund die Feiertage zu konzentrieren. Weihnachten hat mich noch nie im Stich gelassen.“
„Ich weiß, dass du das großartig machen wirst“, sagte Daisy, um ihrer Freundin Mut zu machen. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann – hinter den Kulissen natürlich –, sag Bescheid. Ich bin Fotografiestudentin und arbeite nebenbei freiberuflich. Wie wäre es mit einem Poster?“
„Wirklich? Wow, das ist so nett von dir. Ich hätte gerne ein paar Fotos von dem Ereignis. Und ein Poster oder Flyer wäre großartig.“
„Damit kann ich dir helfen.“ Daisy wühlte in ihrer Tasche und holte eine Visitenkarte heraus, die sie Maureen gab.
„Toll. Und ich werde für dich und Charlie VIP-Plätze beim Krippenspiel reservieren.“
Daisys Magen zog sich zusammen. „Da werde ich leider alleine kommen“, sagte sie. „Charlie wird Weihnachten bei seinem Dad verbringen.“ Es tat weh, es laut auszusprechen.
„Oh. Ich schätze, das bedeutet Charlie und seinem Dad sehr viel“, erwiderte Maureen diplomatisch. Sie schaute zu Charlie, der das Buch weiterhin zu Motorgeräuschen über den Boden schob. „Er ist einer meiner liebsten Besucher, weißt du.“
Als wenn er spürte, dass über ihn gesprochen wurde, schaute Charlie zu ihr auf, streckte seine Arme aus und schenkte ihr sein strahlendes Lächeln, das schon auf eine Zukunft als Herzensdieb hinwies.
„Du hattest mich schon beim ersten Hallo um den Finger gewickelt“, sagte Maureen.
Er hielt das Buch hoch, als wäre es der Heilige Gral. „Lesen“, sagte er.
Daisy ging zu ihm. „Wir nehmen das Buch mit und lesen es zu Hause, okay?“
Er verzog das Gesicht. „Lesen.“
„Ich habe noch ein paar Minuten“, versicherte Maureen ihr und schob den Bücherwagen beiseite. „Für eine Geschichteist immer Zeit. Das ist eine der vielen Regeln einer Bibliothekarin.“
„Bist du sicher?“
„Vertrau mir. Das ist mein Beruf.“ Sie hob den Jungen auf ihren Schoß.
In ihren Augen lag ein sehnsüchtiger Ausdruck, als sie sich mit Charlie und dem Buch hinsetzte. Beinahe wie Traurigkeit. Daisy fragte sich, woher die stammte.
„Dann gehört er ganz dir“, sagte sie. Ihr Handy vibrierte und kündigte eine eingegangene SMS an.
Einen Augenblick später war Charlie glückselig in Maureen Schoß gekuschelt und sang gemeinsam mit der kleinen Lokomotive „Ich glaub, ich kann das.“
Daisy ging nach draußen, um die SMS zu lesen. Sie war von Lo gan.
HEY DU. WIE GEHT ES MEINEM JUNGEN?
IM SCHWARZEN BUCH DES WEIHNACHTSMANNES, schrieb sie zurück. ER MOCHTE ES NICHT, AUF SEINEM SCHOSS ZU SITZEN.
DAS IST MEIN SOHN! ICH HABE MICH VOR DEM DICKEN MANN AUCH IMMER GEGRUSELT. WOLLTE MIT DIR ÜBER WEIHNACHTEN SPRECHEN: WANN?
HEUTE ABEND. GEGEN 7. DANN KANNST DU IHN NOCH BADEN.
Leicht besorgt steckte sie das Telefon weg. Sie und Logan hatten keine offizielle Sorgerechtsvereinbarung; sie beruhte alleine auf der gemeinsamen Liebe zu ihrem Sohn. Logan lebte und studierte in New Paltz, was mit dem Auto nichtallzu weit von Avalon entfernt war. Entgegen den Wünschen seiner Eltern hatte er sich für das staatliche College entschieden, um näher bei Charlie sein zu können.
Und trotz ihres etwas holprigen Starts als Großeltern waren die O’Donnells inzwischen in ihre Aufgabe hineingewachsen. Dieses Jahr hatten sie zum ersten Mal gefragt, ob Logan Charlie an Heiligabend mit nach Long Island bringen und am nächsten Tag zurückfahren könnte.
Daisy hatte lange darüber nachgedacht. Charlie am Heiligabend abgeben? Den magischsten Abend des Jahres ohne ihren Zweijährigen verbringen? Könnte sie das wirklich tun?
Schlussendlich war es Charlie, der ihr die Entscheidung abgenommen hatte. Er betete seinen Vater geradezu an, und er verdiente es, genauso ein Teil der O’Donnell-Familie wie der Bellamys zu sein.
Trotzdem tat der Gedanke weh, den Heiligabend ohne ihn zu verbringen. Daisy erinnerte sich daran, dass sie eine großartige Familie hatte, die sie auffangen würde. Ihre Eltern und Stiefeltern
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