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Weihnachtsengel gibt es doch

Weihnachtsengel gibt es doch

Titel: Weihnachtsengel gibt es doch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Wiggs
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Schmerz zu lindern und die Wut zu betäuben. Außerdem fuhr er ganz langsam. Er wurde ja nirgendwo erwartet. Seine Eltern hatten ihnwie jedes Jahr in ihr Haus auf Long Island eingeladen, aber Natalie hatte ihm die perfekte Ausrede geliefert, diese Einladung auszuschlagen. Jetzt hatte er keine Ausreden mehr.
    Der Schneesturm begann als fedrig leichter Tanz, der die Flöckchen über seine Windschutzscheibe trieb. Innerhalb von wenigen Minuten wurden aus dem Gestöber dicke, unermüdlich fallende Flocken, die im Licht der Scheinwerfer auf ihn zurasten und eine hypnotische Wirkung auf ihn ausübten. Er entschloss sich, an der Hilltop Tavern anzuhalten und zu schauen, ob noch jemand da war. Er hatte aus seiner Zeit im Sommercamp noch einige alte Freunde in Avalon. Die kleine Stadt veränderte sich überhaupt nicht. Er fuhr an gemütlich aussehenden Häuschen mit warm erleuchteten Fenstern vorbei, an geschlossenen Geschäften, dem Country Club, der leicht erhöht auf einem Hügel thronte. Das beeindruckendste Lichtschauspiel bot allerdings die Herz-der-Berge-Kirche, die er erblickte, als er um eine Kurve der am See entlangführenden Straße bog.
    Am Dachrand des rechteckigen Gebäudes funkelten kleine Lichter. Eine lebensgroße Krippe war auf der schneebedeckten Fläche vor der Kirche aufgebaut. Eddie kurbelte das Fenster ein Stück herunter, um die eisige Luft auf dem Gesicht zu fühlen. Dicke Schneeflocken wehten durch den Schlitz ins Auto.
    Das leise, entfernte Klingen der Glocken drang an sein Ohr, und es war das einsamste Geräusch, das er je gehört hatte. Er verdrängte den traurigen Klang, indem er das Radio lauter stellte, in dem gerade „Never Say Die“ von Black Sabbath gespielt wurde.
    Für Eddie war Musik mehr als nur ein Klang. Es war ein vertrauter Ort, an dem er sich sicher fühlte. Inmitten des Chaos und der Unsicherheiten seiner Kindheit war Musik sein Rückzugsort und sein Trost gewesen. Über die Jahre war diese Verbindung nur noch stärker geworden. Als Teenager bot Musikihm eine Möglichkeit, der Verwirrung in seinem Inneren Herr zu werden. Sie war beinahe so beruhigend, wie ein Sixpack Bier zu trinken, das er seinen Eltern aus dem Kühlschrank geklaut hatte. Später, als Student am Juilliard Konservatorium, war es eine Ausdrucksform, die für ihn endlich Sinn ergab. Die perfekte Begleitung zu dem Wein, den er vor, während und nach den Aufführungen zu trinken beliebte.
    Er hörte die ganze Zeit über Musik in seinem Kopf. Es überraschte ihn, dass es anderen Menschen nicht so ging. Vielleicht war es eine Art von Geisteskrankheit.
    Jahre später, als er die Ereignisse jener Nacht noch einmal Revue passieren ließ, gelang es ihm nie, die Geräusche und Bilder in seinem Kopf von denen zu trennen, die wirklich existiert hatten. Er erinnerte sich an ein seltsam rhythmisches Schlagen, wie der Rotor eines Helikopters, und ein Dunklerwerden des bereits tiefschwarzen Himmels. Und dann mit einem Mal – ein Tier, ein Ast?
    Aus reinem Reflex heraus verriss er das Lenkrad, um ihm auszuweichen.
    Mission erfüllt.
    Aber im nächsten Augenblick verlor er komplett die Kontrolle. Der Wagen traf auf ein Stück überfrorene Nässe und schlingerte von der Straße. Er durchbrach eine Schneewehe und holperte einen Abhang hinunter. Die Bremsen und das Lenkrad waren vollkommen nutzlos. Er schlug eine tiefe Schneise durch den Kirchgarten. Alles im Auto – Aufnahmegeräte, CDs, Sportsachen, die leere Champagnerflasche – wirbelte wie im Sturm herum.
    Als das Fahrzeug in die Krippe raste und weiter auf die Kirche zu, ging Eddie nur ein Gedanke wieder und wieder durch den Kopf. Bitte, Gott, mach, dass ich niemanden verletze.
    „Diese Nacht hat alles für mich verändert“, erzählte er den Menschen in dem Raum. „Und dafür bin ich dankbar. Ichwerde mich in den kommenden Wochen immer wieder daran erinnern. Denn irgendetwas sagt mir, dass ich mich einigen Herausforderungen werde stellen müssen. Wie immer zu dieser Zeit des Jahres.“
    „Danke, Eddie“, murmelten alle im Chor und wandten sich dann dem nächsten Sprecher zu.
    Sein Leben hatte in der Nacht, in der es beinahe geendet hätte, tatsächlich erst wieder begonnen. Als er endlich zugeben musste, dass Trinken bei ihm nicht funktionierte. Er hatte sich komplett neu erfinden müssen. Musik war immer noch sein Leben, aber jetzt arbeitete er hinter den Kulissen, als Komponist und Produzent, und stellte ehrenamtlich ein Musikprogramm für gefährdete Kinder in Lower

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