Zwei Stunden Mittagspause
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Sie hörte ihn kommen, drückte die Zigarette in einem kleinen marokkanischen Aschenbecher aus Messing aus, legte sich zurück und kreuzte die Arme hinter dem Nacken.
Die orangefarbenen Übergardinen waren zugezogen … das Sonnenlicht drang gedämpft ins Zimmer und breitete einen matten rötlichen Schimmer über die nackte Haut.
Sie zog das rechte Bein etwas an und blickte erwartungsvoll auf die Tür.
Seine Stimme klang undeutlich, er stand draußen auf dem langen Flur und sprach mit Albertine Megges, wie er es jedesmal tat, wenn er das Zimmer in der Pension Sonneck bezog.
Es war sicherlich keine Höflichkeit von ihm, sich ein paar Minuten mit der Pensionswirtin zu unterhalten, eher eine Art Scham- und Reuegefühl, das sich in Worten löste und in einem Geldschein, den Albertine Megges später irgendwo fand: in ihrer Schürzentasche, unter dem Telefon im Flur, auf dem roten Plüschpolster des Dielenstuhles. Ein Pflaster für Schweigsamkeit und Blindheit. Ein letzter Anflug bürgerlichen Gewissens.
Margot Großmann lächelte spöttisch. Sie dehnte sich in der orangegefilterten Sonne, strich mit beiden Händen über ihren blanken, schlanken Körper und zerwühlte sich dann das rötlichblonde Haar.
Er liebte diese Wildheit, dieses Aufgelöste, Urhafte, das ihn wegtrug aus der Enge seines alltäglichen Lebens.
Sie stellte sich ihn jetzt im Flur vor – elegant, groß, nicht schlank, aber auch nicht dicklich, sondern ›gut im Fleisch‹, wie er es einmal scherzhaft genannt hatte, seine graublauen Augen blickten Frau Megges an, während er die obligaten Worte der Höflichkeit wechselte, sich nach dem Rheumaknie von Albertine erkundigte und ein neues Einreibemittel empfahl. Und Frau Megges sagte glücklich:
»Ich werde es mir nachher gleich aus der Apotheke holen, Herr Zumbach. So 'n Rheuma ist schrecklich … nachts kann ich das Bein nicht ausstrecken, so weh tut's im Gelenk …«
Schritte …
Seine Hand legte sich auf die Klinke …
Seine Stimme, jetzt deutlich: »Ich werde meinen Hausarzt einmal fragen, Frau Megges. Am Freitag kann ich Ihnen bestimmt ein gutes Mittel sagen …«
Ein Räuspern …
Margot blickte auf die Armbanduhr … sie war das einzige, was sie noch am Körper trug, und auch sie band sie jetzt ab und legte sie auf den Nachttisch.
12 Uhr und 15 Minuten. Bereits eine Viertelstunde verschenktes Glück.
Er hat zuviel Gewissen, dachte sie. Er redet und redet und beruhigt sich damit selbst. So ist es immer, bevor er hier in diesem Zimmer alles von sich abschüttelt und ein anderer Mensch wird. Nicht mehr der Mann, der seine Frau betrügt, der seinem besten Freund die Frau wegnimmt, der heimlich in die Pension Sonneck schleicht und mit seiner Kleidung auch den berühmten Architekten, den Erfolgsmenschen, das Aushängeschild der Gesellschaft abstreift. Hier in diesem Zimmer wurde er wöchentlich zweimal neu geboren … jeden Dienstag und jeden Freitag von zwölf bis zwei Uhr mittags.
Margot Großmann legte sich mit ausgebreiteten Armen zurück, als die Tür aufschwang und sich leise wieder schloß.
Heinrich Zumbach blieb einen Augenblick im Türrahmen stehen und blickte stumm auf Margot.
Ihr in der orangenen Sonne glänzender Körper hatte jene Schönheit, die zunächst sprachlos macht. Vollendung erzeugt Schweigsamkeit … es ist wie eine Kapitulation, eine völlige Aufgabe des eigenen Willens.
»Guten Tag, kleine Göttin«, sagte Zumbach.
Er kam näher, setzte sich auf die Bettkante und faßte mit beiden Händen in das zerwühlte Haar.
»Guten Tag, Bärlein.«
Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und küßte ihn mit der Leidenschaft, von der er in den ›stillen‹ Tagen träumte. Unter seinen gleitenden Händen spürte er die glatte Schönheit ihres Leibes, und seine Verwandlung begann.
»Du wirst von Tag zu Tag schöner«, sagte er heiser. »Ich habe Angst!«
»Vor mir?« Margot lachte und schlang ihre langen Beine um seinen Leib.
»Eines Tages werde ich neben dir wie ein häßlicher Affe wirken. Es ist unheimlich, wie schön du bist.« Er zog das Hemd über seinen Kopf und warf es neben das Bett. »Das einzige, was mich tröstet, ist, daß auch andere Männer neben dir wie Affen aussehen.«
»Wie lange hast du Zeit?« fragte sie.
»Bis zwei Uhr, du weißt es doch.«
»Ja, ich weiß es! Und es macht mich krank, bevor ich noch dieses Zimmer betrete. Liebe nach der Uhr, wie ein Kantinenessen! Zwei Stunden Mittagspause … rrrrrrr, die Klingel rasselt, alles wieder auf die
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