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Weihnachtsengel gibt es doch

Weihnachtsengel gibt es doch

Titel: Weihnachtsengel gibt es doch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Wiggs
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Problem.“ Mr Shannon erhob sich, warf sich seinen Mantel über und setzte sich die flache Fahrermütze auf. „Sie bedeutet den Menschen nicht genug. Die meisten Leute, mit denen ich gesprochen habe, empfinden es gar nicht als so schlimm, dass eine einzelne Bücherei schließen muss. Es bedeutet einfach nur, dass ein paar Leute zwanzig Meilen weiterfahren oder auf den Bücherbus warten müssen, um sich ein Buch zu leihen. Das ist nicht gerade die größte Katastrophe heutzutage.“
    Maureen überlief ein kalter Schauer. Sie wusste, dass er recht hatte. „Ja, das hier ist nur eine Bücherei, aber diese Situation wiederholt sich überall im Land. Sie haben es nur gerade so eben geschafft, die Bücherei in Salinas zu retten – der Heimatstadt von John Steinbeck, einem unserer erfolgreichsten Autoren. Philadelphia hat letztes Jahr elf Zweigstellen verloren. Eine Gemeinde in Oregon musste ihr gesamtes Netz schließen. Das ist alles Teil einer langsamen Erosion. Aber wann wird die ein Ende haben?“
    „Der Stadtrat muss die Finanzierung der öffentlichen Sicherheit sicherstellen“, erklärte Mr Shannon. „Sollen sie das Fehlverhalten von Sexualstraftätern überwachen oder die Stromrechnung für die Bücherei bezahlen? Sie haben einfach keine Wahl.“
    „Ich verstehe“, sagte Maureen. „Ich … ich versuche es zumindest.“
    „Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, sich mit uns zu treffen“, erwidert er. „Ich wollte Ihnen die schlechten Nachrichten persönlich überbringen, sobald wir sie erhalten hatten.“
    Sie stand auf und ging mit ihm zur Tür. „Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Die anderen Mitglieder des Ausschusses folgten schweigend und ernst. Maureen befand sich in einem Schockzustand. Als wäre sie Opfer eines Unfalls gewesen. Sie hatte sich immer vorgestellt, ihr gesamtes Berufsleben hier zu verbringen, im Dienst der Institution, die sie so sehr liebte. Jetzt wurde ihr klar, dass sie in wenigen Wochen arbeitslos sein würde.
    Mrs Goodnow, die Sekretärin des Ausschusses, sagte: „Wir planen noch ein gemeinsames Essen am Ende des Jahres. Jeder kann kommen und bringt etwas mit.“
    Maureen versuchte, nicht zu schwanken. „Ja, gut“, brachte sie gerade noch heraus. Sie schloss die Flügeltür zum Konferenzraum hinter sich.
    Mr Shannon blieb am Ausgang stehen und schlang sich seinen Schal um den Hals. „Gehen Sie jetzt auch?“
    „Ich brauche noch ein paar Minuten. Ich muss meine E-Mails checken und ein paar Dinge auf meinem Terminplan verschieben.“
    „Passen Sie auf sich auf, Ms Davenport.“
    „Sie auch, Mr Shannon.“
    Er zögert noch einen Moment. „Sie sehen nicht gut aus.“
    Sie wurde von einer Welle der Trauer erfasst, die ihr den Magen zusammenzog. „Diese Bücherei ist ein Teil des Stoffes, aus dem diese Stadt gewebt ist. Wir können sie nicht einfach schließen.“ Sie dachte an die Kinder, die zu den Vorlesestunden kamen. Die Senioren, die den Buchclub und die Computerkurse besuchten. Dann stellte sie sich die Türenvor, fest verrammelt und für immer geschlossen. Und irgendetwas in ihr rollte sich zusammen und starb.
    „Kann ich Ihnen noch irgendetwas bringen, bevor ich gehe?“, fragte Mr Shannon. „Ein Glas Wasser oder …“
    „Ein Wunder.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Ein Wunder käme mir jetzt gerade recht.“
    In der Stille der geschlossenen Bücherei schaute Maureen nicht nach ihren E-Mails. Sie ging nicht einmal in die Nähe ihres Schreibtisches. Stattdessen ging sie zu den Büchern, wanderte langsam zwischen den hohen Regalen aus Eichenholz umher, ließ ihre Fingerspitzen über die Rücken der Bücher wandern. Für sie war die Bücherei immer ein heiliger Ort gewesen, ein Ort der Ideen und der Kunst, ein sicherer Platz, um Träumen Flügel zu verleihen.
    Bibliotheken – und diese hier im Besonderen – hatten sie immer mit Ehrfurcht erfüllt. Sie waren eine Kathedrale für die verschiedensten Elemente der Menschheit, wo alle Seiten der Menschlichkeit ihren Platz fanden. Sie war hier sprichwörtlich aufgewachsen, in diesem im griechischen Stil errichteten historischen Gebäude mit seinen marmornen Fluren und bleiverglasten Fenstern, den polierten Handläufen und Fensterflügeln aus Mahagoni. Im Zentrum des Gebäudes gab es einen Innenhof, durch dessen Deckenfenster das Licht hineinfiel. Eine Wendeltreppe führte von hier aus in den Raum, der für die Kinder bestimmt war. Als sie noch klein war, war ihr der Aufstieg über die gewundenen Stufen wie

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