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Weihnachtsengel küsst man nicht

Weihnachtsengel küsst man nicht

Titel: Weihnachtsengel küsst man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Andresky
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drückte ihr auf die Stimmung. Diese ewige Dunkelheit im Winter machte ihr zu schaffen. Wieder ein Tag vorbei, wieder kein Weihnachtswunder. Sie fuhr eine kurvenreiche Straße hinauf und versuchte sich einzureden, dass die Landschaft bei Sonne wahrscheinlich sehr malerisch und idyllisch gewesen wäre und dass man schon mal ein paar
Stündchen im Auto sitzen konnte, wenn die Chance bestand, ein wirklich aufregendes Geschenk von einem wirklich aufregenden Mann zu bekommen. Einen Meter hoch sollte das Paket sein. Und komische Geräusche machen. Lina überlegte, was in dem Geschenk sein könnte, aber es fiel ihr nichts ein.
    Es roch streng in dem Wagen. Bis sie sich erinnert hatte, wo sie geparkt hatte, und bis die Scheiben dann freigeschaufelt waren, war ihre Kleidung völlig durchnässt gewesen. Jetzt saß sie hier in ihrem klammen Wollpulli in einer Art großem, völlig überhitzten Umluftherd, der ihr die Füße ankokelte und das Gehirn austrocknete. Leider ließ sich die Heizung nicht abstellen. Gerade als Lina sich darüber ärgern wollte und begann, mit ihrer Gianna-Nanini-Stimme Weihnachtslieder zu verhunzen, ließ das Brennen um ihre Füße nach, und es kühlte angenehm ab. Es kühlte sehr ab. Es kühlte ganz und gar ab. Und bereits bei der nächsten Strophe von den Engeln, die auf den Feldern singen, musste Lina zugeben, dass die Heizung ausgefallen war. Und von dem Kaff, in dem der Rentierhof sein sollte, war nichts zu sehen. Lina
versuchte Annette per Handy zu erreichen, immerhin hatte sie ja ihre Agentur auf halber Strecke und kannte sich vielleicht etwas besser aus, aber Annette nahm nicht ab. Wahrscheinlich stopfte sie gerade ihre Mastmieze mit Entenleber voll oder hatte es sich mit einem Fläschchen Baileys in der Wanne bequem gemacht, wobei dann noch die Chance bestand, dass sie von selbst anrufen würde, denn das tat sie manchmal, wenn sie einen gewissen Pegel erreicht hatte. »Süße«, quietschte sie dann ins Telefon, »ich liege hier in einer Wanne Baileys und trinke ein Schlückchen Wasser auf dein Wohl.« Lina grinste. Zutrauen würde sie ihr das. Aber langsam wurde ihr das Schneetreiben da draußen doch unheimlich. Und gerade als sie überlegte, ob sie vielleicht in einem Zeitloch gefangen war, so murmeltiertagmäßig, und bis an ihr Lebensende immer wieder um die gleiche Kurve fahren müsste, tauchten vor ihr Lichter auf. Und dann sah sie ein verschneites Holzschild. »Rentierfarm Bärchinger« stand darauf.

10
DEZEMBER

    Die Tür zum Stall quietschte. Lina hatte ein paar Mal gerufen, ohne dass jemand darauf reagierte, und der Stall war der einzige Teil des Hofes, in dem Licht brannte. Sie trat in den warmen Stall und schüttelte den Schnee von ihren Haaren, die sich unter der Nässe gekräuselt hatten und ihr vom Kopf abstanden wie bei Pumuckl in der Technoversion. Sie rief ein paar Mal, aber nur das halbe Dutzend Rentiere schnaubte leise und kaute unbeeindruckt weiter am Heu herum. Eines hatte den Kopf gehoben und grinste sie mit fleischigen, behaarten Lippen und großen Staunaugen an. »Na Katla«, flüsterte sie und strich dem Tier vorsichtig über den Schopf zwischen dem Geweih. »Tut mir leid, dass ich zickig zu dir war. Kannst ja nichts
dafür, dass du ein Rentier bist. Aber an deinem Damenbart musst du was machen. Epilieren oder so. Ich lass deinem Herrchen die Nummer meiner Kosmetikerin da.«
    Plötzlich kam sie sich sehr einsam vor. Die Rentiere standen dicht beieinander an den Traufen und schmiegten die Bäuche aneinander. Es kam Lina vor, als seien sie eine große Familie, die sich – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auch gut verstand und zusammenhielt. Rentier sein war Heiligabend bestimmt besser als Lina sein. Lina fühlte ein Tränchen im Augenwinkel und verbot sich weitere Sentimentalität. Mit der besten Freundin der Welt am Kamin zu sitzen, ein Glas Bowle zu trinken und einen dicken schnurrenden Kater auf dem Schoß zu haben, war sicher nicht das schlechteste Schicksal.
    Da hörte sie es hinter sich fiepen. Sie drehte sich um und entdeckte den großen verpackten Karton. Ihr Geschenk. Sie ging hin und legte ihr Ohr auf den Deckel. Da fiepte es noch mal. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, was darin sein mochte. Sie versuchte, das Paket anzuheben, um es ins Auto zu tragen, denn sie wollte so schnell wie möglich in die Stadt zurück
und hatte auch keine große Lust auf ein Gespräch über Rentierhufe oder Alpaka-Fellpflege, falls Rudi noch auftauchen sollte. Der

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