Weihnachtsglanz und Liebeszauber
Alter, mit feuerroten Haaren, giftgrünen Augen und einem abgebrochenen Vorderzahn, plus ein Junge schoben sich in unsere Küche. Der Junge hieß Jan, war überhaupt nicht schüchtern, sondern lotete der Sache gleich auf den Grund: Er legte die Arme um mich. Vor allen Leuten.
»T’aun Deiwel aber auch«, sagte ich stolz.
Rese riss die veilchenblauen Augen auf. »Das ist ja die Höhe! Jan, ich dachte –«
»– ich sei beklötert? Rese, das bin ich nicht. Hab ich dir immer gesagt, aber du wolltest nicht hören, du –«
Wieder ging die Tür auf. »Hi! Sam!« Nick zog seinen Freund in die Küche. Der kam nicht allein; hinter ihm drängelten sich Sams Vater und seine Mutter mit dem süßen, aber leider kahlköpfigen Schokobaby auf dem Arm herein.
Opi Rudi kam aus dem Protestieren nicht heraus. »Was sollen die vielen Leute in unserer Küche? Weihnachten will die Familie unter sich sein!«
Ich stellte rasch einen zweiten Topf mit Wasser für die von Bennos Geld besorgten Würste auf den Herd.
»Erwartest du noch mehr Besucher?«, fragte mein Pa.
»Wir sind vollständig.«
Er war kein bisschen vergrätzt. »Weißt du was? Eine so große Runde an Heiligabend haben wir uns immer gewünscht, nicht wahr?« Er lächelte Ma an. Sie lächelte zurück. »Aber sicher! Auf fröhliche Weihnachten, mein Lieber!«
Nick, Jan und Giselbert trugen sämtliche Stühle aus dem Haus ins Wohnzimmer, und weil wir ganz eng zusammenrückten, hatten alle Platz am ausgezogenen Tisch.
Das Schokobaby lag inmitten der Geschenke auf einem dicken Kissen direkt unterm Baum und war somit die einzige Person, die kein Würstchen abbekam und den Höhepunkt des Abends verschlief.
Den hatten wir Nick, Sam und Jans Schwester Svenja zu verdanken. Die tuschelten nämlich die ganze Zeit und stahlen sich noch vor der Bescherung aus dem Wohnzimmer, und gerade, als wir mit Giselbert, Erwin und unseren neuen Nachbarn, Jans Familie und Sams Familie, »Stille Nacht, heilige Nacht« anstimmten, zogen und schubsten die drei den Esel in die Stube. Opi Rudi schrie: »Gehört der etwa auch zur Familie?«, Tante Trudi kreischte, aber Benno sagte ganz andächtig: »Der Esel und das Kind im Stall. Genau wie damals in Bethlehem.«
Mein schönstes Geschenk war ein Foto in einem knallroten Rahmen, das Jan auf seinem Boot zeigte und eine Widmung hatte, die überhaupt das Allerschönste war. Am Weihnachtsmorgen rannte ich hinunter ins Wohnzimmer, um mich an der Widmung zu erfreuen. Da schlug mir ein Gestank entgegen, der sich gewaschen hatte. Rese wäre geflüchtet; ich ging ihm nach und entdeckte nach einigem Schnüffeln und Suchen unterm Sofa mein Geschenk für Sepi. Die Maus war aufgetaut, stank grausam und sah so mickrig aus, dass ich sie an Sepis Stelle auch verschmäht hätte. Einen halben Knochen fand ich auch noch. Neben ihm lag das Schmusebärchen des Schokobabys. Das musste Nick zurückbringen.
Ich hatte etwas anderes vor – Jan und ich würden durch den verschneiten Winterwald reiten. Allein. Nur zu zweit.
T’aun Deiwel aber auch …
© privat
Sissi Flegel hat alles erlebt, was man erleben muss, um Kinder- und Jugendbücher zu schreiben. Sie kommt aus einer Großfamilie, ging auf ein Mädcheninternat zur Schule, studierte Sprachen und arbeitete als Lehrerin, bis sich ihre Erfahrungen verselbstständigten und in Büchern materialisierten. Ihre witzigen Mädchenbücher sind Bestseller und ihre Fangemeinde wächst ständig. Um näher an den Alltag zu kommen, entstehen ihre Mädchenbücher meistens vor Ort.
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