Weihnachtszauber 01
vorstellen. Es ist so, als wäre man mit einem Mädchen aus unserer Schicht zusammen, nur dass es über Esprit und Unabhängigkeit verfügt.“
„Das macht es nur noch schlimmer.“ Will beendete die Maniküre. „Du vergisst die Regeln, und sie wird nicht wissen, ob es dir ernst ist oder nicht. Es sei denn, du wolltest ihr eine carte blanche anbieten? Momentan unterhältst du keine Geliebte, oder?“
„Nein“, erklärte Lucas barsch. Natürlich würde er Daisy keine carte blanche anbieten.
Natürlich würde er sich nicht noch weiter hineinverstricken, als er es jetzt schon war.
Andererseits hatte er das Mistelzweiglein in der Rocktasche, und wenn er an ihren Körper und ihre Wärme und ihre Süße dachte, durchströmten ihn Sehnsucht und Verlangen.
Er bückte sich, um Wills Stiefel aufzusammeln. „Brauchst du noch etwas?“
„Nein. Danke. Sieh zu, dass du einen Bissen zu Mittag isst, solange du Gelegenheit dazu hast. Aber, Lucas – wie hältst du es mit dem Dienstbotenball?“
„Es gibt hier einen?“
Will nickte.
„Wann?“
„Am Weihnachtstag. Du musst dich etwas zurückhalten, Lucas, langsam auf Abstand zu ihr gehen. Wenn ihr beiden den ganzen Abend miteinander tanzt und euch schöne Augen macht, wird euch das am nächsten Morgen teuer zu stehen kommen.“
„Ich werde ihr nicht wehtun“, sagte er angespannt und fragte sich insgeheim, ob nicht er derjenige wäre, der verletzt werden würde. Ihm ging Daisy Lawrence gar nicht mehr aus dem Sinn. „Sie hält mich für einen amüsanten Schuft, glaube ich – sie ist viel zu intelligent, um auf meine blauen Augen hereinzufallen, Will.“
Und Daisy schien tatsächlich nicht willens, ihm besonders viel Aufmerksamkeit zu zollen, als er wenig später die Küche betrat. Sie half gerade einem Stallburschen, einen Strang Wolle zu entwirren, welcher der Köchin gehörte und den die Stallkatze in die Krallen bekommen hatte, während Küchenmädchen geschäftig umhereilten und den Mittagstisch für die höheren Dienstboten deckten.
„Fort mit dir.“ Es war der zweite Butler, der, den Arm voll Flaschen, mit jemanden an der Hintertür sprach. „Wir brauchen nichts.“ Die Person vor der Tür besaß anscheinend eine gute Überredungsgabe, denn schließlich drehte sich der zweite Butler um und rief: „Der Hafner ist da mit einer Karre voller Sachen, wenn jemand Interesse hat.“
Die jungen Frauen, die wenig übrig hatten für einen Hausierer, der weder Bänder noch Kinkerlitzchen feilbot, wandten sich wieder ihren Aufgaben am warmen Kaminfeuer zu, doch die Köchin, die Arme bis zu den Ellbogen voll Mehl, und ein paar Männer trotzen der Kälte, um einen Blick auf das Angebot zu werfen.
Der Hafner war mit einem Pritschenwagen voller Körbe da, der von einem dürren Klepper gezogen wurde. „Geschenke für die Lieben“, pries er an. „Schönes Serviergeschirr für den Tisch.“
„Ich brauche eine schöne, große Servierplatte, aber sie darf nicht gleich Sprünge kriegen, wenn ich was Warmes drauflade“, erklärte die Köchin und linste in den größten Korb.
Die Männer sortierten die Becher und Schüsseln, die mit fröhlichen Sinnsprüchen und Blumen dekoriert waren.
Müßig schaute Lucas ihnen über die Schulter und lächelte über die naive Kraft der Bemalungen. Er entdeckte einen kleinen grünbraunen Becher, der genau dieselbe Farbe hatte wie Daisys Augen. Lucas streckte die Hand aus, hakelte ihn heraus und las den darauf gemalten Spruch. „Den nehme ich.“ Er überreichte dem Mann ein paar Münzen, was die allgemeinen Kaufaktivitäten eröffnete, ging nach drinnen und fragte sich gleich darauf, wie er nur dazu kam, etwas Derartiges zu erstehen.
„Gibt es da draußen etwas Interessantes zu sehen?“ Es war Daisy, direkt neben ihm.
„Nein, nur Kochutensilien und grobe Tonwaren.“ Der Becher war so klein, dass er ihn in die Tasche stecken konnte, wo er eine unelegante Beule verursachte.
„Oh.“ Sie wandte sich ab, um die neue Platte der Köchin zu bewundern, und er ergriff die Gelegenheit und schlich sich in sein Zimmer davon, um den Becher zu verstecken.
Wie ein liebeskranker Bauernbursche, der seiner Liebsten etwas vom Markttag mitbringt, spottete Lucas über sich selbst, als er den Becher auf die Kommode stellte. Spontan holte er den zerdrückten Mistelzweig aus der Tasche und steckte ihn in den Becher. Dann schüttelte er den Kopf über seine eigene Albernheit und lief nach unten zum Essen.
7. KAPITEL
24. Dezember
Der
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