Weihnachtszauber 01
zu einer leichter zu bewältigenden Trübsal abstumpfen, und bis dahin musste sie eben ein wenig schauspielern. Später am Morgen, als sie ihre Kammer verlassen wollte, hatte sie den kleinen Becher vor ihrer Tür gefunden und musste noch einmal für zehn Minuten zurück ins Zimmer gehen, um sich zu fassen, ehe sie sich nach unten begeben konnte. Der Becher stand jetzt auf ihrer Kommode und wartete auf sie.
„Wie war der Besuch?“
„Mein Gesangsvortrag war genauso unangenehm, wie zu erwarten stand, aber nachdem das vorbei war, war der restliche Aufenthalt sehr nett. Die Hausherrin hatte ihre Enkel zu Besuch, und sie waren einfach entzückend.“
„War dein Gesang wirklich so schlimm? Hat deine Patentante darauf bestanden, dass du vor allen singst?“
„Natürlich. Aber Lord Danescroft sagte, er wolle auch singen, und so haben wir ein Duett vorgetragen, und er hat mich dabei vollkommen übertönt. Gott sei Dank.“
„Wie unhöflich von ihm.“
„O nein, er hat das nett gemeint, denn er hat gesehen, wie nervös ich war, und er hat mir anvertraut, dass er damit rechnete, ebenfalls zum Singen aufgefordert zu werden, und dass wir es gemeinsam hinter uns bringen könnten.“
„Verstehe. Denkst du denn jetzt freundlicher über ihn?“ Rowan legte Pennys Nachmittagskleid heraus, obwohl es übertrieben schien, sich umzuziehen, da sie sich um vier Uhr noch ein wenig hinlegen wollte, um sich für den Ball auszuruhen.
„Was Lord Danescroft angeht, so habe ich eine Entscheidung getroffen“, erklärte sie ungewöhnlich energisch.
„Na ... das ist gut.“
Penny stand auf, damit Rowan ihr das Nachmittagskleid über den Kopf ziehen konnte. „Ich habe entschieden, dass du recht hast“, verkündete sie, sobald ihr Kopf aus dem mit Seide eingefassten Ausschnitt auftauchte. „Ich muss für mich eintreten und sagen, was ich wirklich will, was ich empfinde, und zum ... Teufel mit den Konsequenzen.“ Sie lief rot an und wirkte ganz verschreckt über ihre eigene Kühnheit.
„Hervorragend“, meinte Rowan. Sie hoffte nur, dass sich Penny dann besser fühlte als sie selbst. Nein, direkt schlecht ging es ihr gar nicht; sie war ... durcheinander und traurig, aber ihr Körper fühlte sich wunderbar an, und ihr Herz ... Ach, Lucas .
„Dann also ja?“ Penny redete offenbar schon seit einiger Zeit. Sie hatte sich das Haar selbst ohne Hilfe aufgesteckt und zog gerade ihre Slipper an.
„Was? Tut mir leid, ich habe vor mich hin geträumt.“
„Ob du heute Abend zum Ball kommst.“ Es klopfte an die Tür. „Herein!“
Zwei Lakaien schwankten herein, zwischen sich einen großen Koffer.
„Aber das ist mein ...“
„Das ist der Schrankkoffer, von dem wir dachten, wir würden ihn nicht brauchen“, erklärte Penny laut, damit die Männer es hören konnten. „Ich habe ihn vom Gasthof herbringen lassen. Vielen Dank – Sie können gehen.“
„Ich kann nicht zum Ball kommen. Ich bin deine Zofe!“
„Doch, du kannst sehr wohl zum Ball kommen.“ Penny klappte den Kofferdeckel auf.
„Die Idee ist mir gestern Nachmittag gekommen. Als die Post kam, habe ich so getan, als hätte ich einen Brief von dir – der echten Rowan – bekommen, in dem du schreibst, du seist in Tollesbury Magna. Natürlich haben alle großes Aufhebens um diesen Zufall gemacht, und Lady Fortescue sagte, ich müsste dir schreiben und dich einladen. Ich habe den Stallburschen stattdessen zu Alice und Kate geschickt und danach so getan, als hättest du mit Freuden zugesagt.“
„Aber wie um alles in der Welt soll ich als Lady Rowan ins Haus gelangen?“
„Es gibt da eine Nebentreppe – ich glaube, sie stammt noch vom ursprünglichen Trakt, ehe dieser Flügel angebaut wurde. Wenn du die runtergehst, stößt du auf einen Gang, durch den du in den Hof bei den Ställen gelangst. Die Kutsche wird dort um zehn auf dich warten. Du steigst ein, fährst um die Ecke, und schon bist du da.“
„Penny Maylin – was für ein Haufen Lügen und Tricks! Ich hätte nie gedacht, dass du dazu fähig bist.“
„Ich weiß. Ich muss sagen, es ist recht erfrischend, zur Abwechslung einmal unartig zu sein, findest du nicht? Und es wird dich niemand erkennen – nicht wenn du das Haar anders frisierst und deinen Schmuck und dein bestes Kleid trägst. Wer würde schon damit rechnen?“
Rowan drehte sich um und betrachtete ihr Spiegelbild. Nein, sobald sie das Haar nicht mehr in diesem straffen, strengen Stil trug und ihre Diamanten und die neue cremefarbene
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