Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Nerven. Quatsch, es ist der Dachbodenausbau, der meine Nerven blank gelegt hat.
Ich fahre zum „Magazin“. Ob man sich überall, wo man ist, nach einer gewissen Zeit zu Hause fühlt? Hier kennt mich die Empfangsdame, ich nicke ihr zu. Ich weiß, welchen Lift ich nehmen muss, und unser Bürogebäude aus Glas und Beton und Stahl wirkt irgendwie … freundlicher. Zumindest heute.
Die Chefredakteurin vom „Blatt“ ist mir nicht sehr sympathisch, über Jahre hat sie im Fernsehen ein politisches Magazin moderiert, ohne allzu viel anzuecken, versteht sich, so macht man Karriere. Nicht dass ich darauf aus wäre. Ich wäre schon zufrieden, wenn sie mich in Ruhe ließen und sich über meiner Wohnung wieder ein festes Dach befände. Was soll ich tun? Den Chefredakteur vom „Magazin“ mag ich auch nicht besonders. Droch meint, ich hätte eben ein Problem mit Hierarchien, das sei alles, deswegen würde ich Vorgesetzte nie leiden können. Heute ist Donnerstag, er wird an seinem Leitartikel schreiben. Immerhin, es gibt im „Magazin“ auch ernst zu nehmende und ernst genommene Journalisten. Droch und … Momentan fällt mir niemand ein, gut, ab und zu hat man sogar mich schon erst genommen. Ich muss mit ihm reden. Er kennt die Branche. Wenn es eng wird, ist er mir immer ein guter Freund.
Im Gegensatz zu mir hat er das Glück, nicht im Großraumbüro arbeiten zu müssen. Ich klopfe an seine Zimmertür. Ob ich als Ressortleiterin beim „Blatt“ auch ein eigenes Zimmer bekommen würde?
„Ja?“
Ich atme erleichtert auf, trete ein. Droch sitzt wie vermutet am Computer. Als er mich sieht, hellt sich seine Miene etwas auf.
„Kannst du dir vorstellen, dass es irgendeinen Vollidioten in Österreich gibt, dem man das als Gesundheitsreform verkaufen kann?“, sagt er anstelle einer Begrüßung.
Ich weiß zwar nicht genau, wovon er spricht, aber ich schüttle brav den Kopf und sage: „Wir sollen mehr zahlen und dafür weniger bekommen, wenn ich richtig liege. Fragt sich nur, wo das Geld hingeht.“
Droch nickt zufrieden wie ein Lehrer, der seiner minderbegabten Schülerin doch etwas beigebracht hat. „Was willst du? Sicher nicht über die Gesundheitsreform reden, oder? Ich muss den Kommentar in einer Stunde fertig haben.“
„Das ‚Blatt‘ will mich abwerben“, platze ich heraus.
Droch sieht mich spöttisch an. „Sie mal an, die Messerschmidt. Ich war gemeinsam mit ihr bei der ‚Lift‘, einer legendären Zeitung in den Siebzigern, ist leider bald wieder eingegangen, hat wohl auch mit uns zu tun gehabt.“
Als Droch die ganze Geschichte kennt, rollt er näher zu mir. Zur Fortbewegung in einem Büro ist ein Rollstuhl gar nicht so übel. „Du musst selber wissen, was du willst. Und setz dich endlich, ich hasse es, zu dir aufzuschauen.“
Ich grinse und setze mich. „So ein Angebot kommt nicht wieder.“
„Und das ‚Blatt‘ ist einzigartig“, fügt Droch trocken hinzu.
„Ich weiß. Es ist nicht gerade …“
„Du willst also gehen.“
„Ich weiß nicht … eigentlich …“
„Wie lange hast du Bedenkzeit?“
„Bis morgen Nachmittag.“
„Sieh an, sie will dich wirklich haben. Kann ich ja verstehen. Erwarte keinen Tipp von mir, ich mag das ‚Blatt‘ nicht.“
„Und mich?“ Das ist mir so herausgerutscht, ein Zeichen, dass ich wirklich verunsichert bin. Drochs Blick wird weich. „Dich mag ich, das weißt du. Und deswegen darf ich dir auch nicht raten, es könnte egoistisch sein.“
„Du willst, dass ich bleibe.“
„Du bist zweiundvierzig, freie Mitarbeiterin beim Lifestyle und hast nicht viele Chancen, etwas anderes zu machen. Du wirst nicht jünger.“
Herzlichen Dank auch. Das weiß ich selbst.
„Ich muss schreiben“, fährt er fort. „Was willst du? Was wolltest du, bevor du das Angebot bekommen hast?“
Nicht viel, ein festes Dach über dem Kopf, ein paar interessante Reportagen, endlich wieder ein paar Tage Urlaub im Veneto, weniger von dem ewig gleichen Society-Gequatsche.
Droch lächelt. „Dann denk darüber nach und triff deine Entscheidung. Ich muss heute Abend zu einer Familienfeier“, er verzieht angewidert das Gesicht, „sonst wäre ich mit dir essen gegangen. Aber wie wäre es mit morgen Mittag? Vielleicht siehst du bis dahin klarer. Oder wir überlegen gemeinsam …“
„Danke“, ich küsse ihn auf die Wange, fühle mich nicht mehr ganz so ausgeliefert und gehe zu meinem PC, um die Reportage unserer Mode-Mitarbeiterin zu redigieren. Sie ist schaurig schlecht
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