Wein & Tod - ein Mira-Valensky-Krimi
Vorstellungen ab, Mira. Man muss das hier ja nicht fotografieren. Ich klopfe an die Tür des Wohnhauses.
Ein zirka fünfzigjähriger Mann in Jeans öffnet. „Ja?“
Das ist nicht Berthold, ich habe etwas im Internet gesurft, er sieht ganz anders aus. „Ich suche Herrn Berthold, Hans Berthold.“
„Und da kommen Sie ausgerechnet zu mir? Das nächste Haus. Wenn Sie Wein kaufen wollen, bleiben Sie allerdings lieber hier. Besser und billiger.“
Seltsamer Empfang. „Nein danke, ich habe mit ihm … geschäftlich zu tun.“
Der Mann mustert mich. „Da kann man auch nichts machen.“ Die Tür geht wieder zu.
Ich gehe, so schnell ich kann, ohne lächerlich zu wirken, über den Hof, bin mir sicher, durch das Fenster beobachtet zu werden. Nächstes Haus, zurück in Richtung Ortszentrum. Aber da steht „Mayer“ am Türschild. Denk weiter, Mira, vielleicht wohnt Berthold woanders. Die Straße macht eine Kurve, ich fahre zehn Meter weiter. Von hier aus sehe ich links oben in den Hügeln die Kellergasse: Keller an Keller, die einen weiß, die anderen verwittert braun, die meisten mit einem kleinen Vorhäuschen, darin wird der Wein gepresst, noch weiter zurückversetzt steht ein Haus, nein, es handelt sich, nach dem gewaltigen Tor zu schließen, wohl eher um ein Wirtschaftsgebäude, es scheint in den Hügel hineingebaut zu sein, von hier aus fast verdeckt durch die Keller und Bäume. Bäume und Büsche auch am Straßenrand. Vor lauter Schauen hätte ich das allerletzte Haus in der Gasse fast übersehen, aber es ist durch einen geparkten Traktor und einige große Bäume gut verborgen: eine Mischung aus traditionellem Bauernhaus und modernem Designergebäude, perfekte Verbindung von Alt und Neu, viel Glas, viel Licht auf der einen Seite, das alte Gebäude integriert, alles in sonnigem Gelb und Wiesengrün. Und über der tatsächlich großen Einfahrt das Schild: „Weinbau Berthold“.
Hier gibt es eine Klingel, ich läute und bin kaum mehr überrascht, als mir ein junger Mann im Designeranzug öffnet. So habe ich mir die neuen Erfolgswinzer trotz allem nicht vorgestellt und ich gebe zu: Die Weinbauern, bei denen ich früher Wein gekauft habe, waren mir lieber.
Der junge Mann lächelt. „Meine Eltern sind im Weingarten.“
„Und Sie … kümmern sich um das Geschäftliche?“
„Ach so“, er sieht auf seinen Anzug, „nein, ich habe Biologie studiert. Und heute geht es um ein Forschungsstipendium. Der Professor, der das entscheidet, steht auf gepflegte Kleidung. Ich sehe nicht immer so aus.“
Er beschreibt mir den Weg.
Es hört sich alles ganz einfach an: Zurück auf die Brünner Bundesstraße, in die zweite Straße rechts einbiegen, geradeaus, bis sie in einen Feldweg übergeht, weiter, bei der ersten Kreuzung rechts. Dass jemand so etwas als Kreuzung bezeichnen kann: Aufeinandertreffen zweier Karrenwege, beide gerade breit genug für meinen kleinen Fiat. Die Sonne strahlt, die kahlen Rebstöcke scheinen ihr entgegenzuwachsen, gemeinsame Hoffnung auf wärmere Tage. Ich halte an, steige aus, werde auf der Hügelkuppe von einem eisigen Wind überrascht. Aber der Ausblick lässt mich die Kälte vergessen. Wie durch einen Weichzeichner sehe ich die Konturen von Wien: seine neu gewachsenen Hochhäuser, die Türme, die UNO-City, Wohnhäuser, miteinander verschmolzen, Kirchturmspitzen. Eine Großstadt breitet sich vor mir aus, Metropole in Pastelltönen, nur wirklich durch diesen Hügel mit seinen Reben, dazwischen, schon näher, Windräder. Und davor, wie zufällig hier gelandet, die Kleinstadt Wolkersdorf. Die Sonne blendet, ich blinzle, um zu überprüfen, ob es sich um eine Fata Morgana handelt, versuche, mich auf die Hügel zu konzentrieren und auf die Bertholds, die da irgendwo sein müssen. Ob sie die atemberaubende Aussicht überhaupt noch wahrnehmen? Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals mit dem grandiosen Blick geworben worden wäre, den man von diesen Hügeln aus auf die Stadt hat. Aber allzu viel Marketing scheint hier im Weinviertel nicht betrieben zu werden. Irgendwie ganz sympathisch.
Ich höre einen Hund bellen, dann, leise, Stimmen. Ich steige wieder ein, fahre in Richtung Gebell, mein Wagen balanciert zwischen tiefen Spurrillen, und da sind sie, viel näher als gedacht. Ein Schäferhund rennt auf mich zu. Ich mag Tiere, aber bei so großen Bestien bin ich vorsichtig. Schweifgewedel, er scheint mir nichts Böses zu wollen, Befehl vom Herrl: „Reblaus, bei Fuß.“ Der Hund namens Reblaus zeigt
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