Weinland & Stahl
argwöhnisch. Noch einmal wandte er sich den Leichen zu. Erst jetzt betrachtete er sie eingehender. Vorhin, als er ihnen reihum das Genick gebrochen hatte, war er wie ein Automat vorgegangen, ohne wirklich zu sehen, was er tat. Nun jedoch fiel ihm die festliche Kleidung der Toten auf, auch wenn sie jetzt, blutgetränkt und zerrissen, kaum mehr nobel war.
Und als er den Blick von einem Leichnam zum anderen wandern ließ, erkannte Boram außerdem, welcher Art die Feier gewesen war, die Bahid mit dem Tod beehrt hatte.
Das junge Mädchen dort, dessen Schönheit sich selbst unter der blutigen Hülle noch erahnen ließ, war am feierlichsten von allen gewandet.
Wie es einer Braut an ihrem größten Tag geziemte...
»Du hast... diese Menschen von einer Hochzeit fortgelockt?«, fuhr er Bahid an.
»Scheint so.«
»Das darf nicht wahr sein, du Narr!«
Borams Hieb streckte Bahid nieder und trieb ihn noch bis zur jenseitigen Wand.
Er wusste, wie hierzulande eine Heirat begangen wurde. Nicht selten mit Hunderten von Gästen! Und Bahid hatte vierzehn davon in seinen Bann gezogen und entführt. Wenigstens ein paar der anderen Feiernden mussten darauf aufmerksam geworden sein.
Und es war keineswegs so, dass in Kairo niemand an die Existenz von Vampiren glaubte. Wer diese Wahrheit zu akzeptieren bereit war, der wusste auch um die Möglichkeiten, wie man ihnen den Garaus machen konnte...
»Man wird deine Fährte finden und ihr bis hierher folgen!«, prophezeite Boram dem am Boden Liegenden, dessen Wunde im Mundwinkel sich eben wieder schloss.
»Und wenn schon«, zischte Bahid.
»Man wird uns finden und... wir werden gegen die Übermacht womöglich keine Chance haben!«
»Wahr gesprochen, Blutsauger!«
Boram benötigte zwei, drei Sekunden, um zu realisieren, dass nicht Bahid seine Worte erwidert hatte. Und als er das sich noch weiter vertiefende Grinsen des Bruders sah, ahnte er, welches Bild sich ihm bieten würde, noch bevor er sich umwandte.
Als er es dann endlich tat, fuhr ihm der Anblick dennoch wie ein glühender Dorn ins kalte Herz.
Genau dorthin, wo Boram schon jetzt die harte Spitze eines der Holzpflöcke zu spüren glaubte, die ihm gleich im Dutzend entgegen gereckt wurden...
O ja, die Menschen, die da zur Tür in das leichenübersäte Kellergewölbe herein quollen, wussten in der Tat, wie man Vampire zu bekämpfen hatte.
Und allein ihr Auftreten ließ keinen Zweifel daran, dass sie eisern entschlossen waren, es zu tun!
Sydney
Sie waren zu dritt. Und sie veranstalteten einen Radau, einen Höllenlärm wie eine ganze Meute!
Heaven blickte ihnen entgegen, ohne sich erklären zu können, warum ihre Instinkte ihr keine Warnung zugeschrien hatten. Warum ihre Witterung
tot
blieb – auch jetzt noch, da die Bestien bereits unübersehbar und unüberhörbar auf sie zuglitten...
Gelegenheit, ausgiebig darüber nachzudenken, erhielt sie zunächst nicht.
Sie war nackt – doch diese Nacktheit und die Erotik ihres blassen Körpers weckten bei ihren Feinden kein Begehren. Der Wunsch – oder die
Lust
– zu töten stand ganz im Vordergrund der rubinrot glimmenden Augen. Die Blicke besaßen eine solche Intensität, dass es aussah, als schürte jemand ein Fegefeuer in den Köpfen der Untoten.
»Wechselbalg!«, klang es erneut auf. »Hurenkind!«
Heiser.
Bösartig.
Wahnsinnig
vor Rachedurst, als gäben sie ihr die Schuld an der Zerstörungsorgie, die hier geschehen war.
Der erste Vampir erreichte Heaven, als sie gerade den halluzinogenen Rausch der Metamorphose ausgelöst hatte; jene Tötungsekstase, die ihr Gehirn nicht nur mit einer absurden Mixtur aus Adrenalin und Endorphinen überschwemmte, sondern auch ihren Körper für den schrecklichen Kampf stählte, vor dem es kein Entrinnen gab.
Für Bitterkeit war kein Platz.
Die Umwandlung ihres Körpers war abgeschlossen; er bot sich nun ähnlich martialisch dar wie der ihrer Gegner: Die Anmut war aus ihren Zügen gewichen, war ersetzt worden von einem Ausdruck, der jeden Menschen vor Entsetzen hätte versteinern lassen. Zwei elfenbeinfarbene Zähne drängten weit aus ihrem Mund und schoben sich weit über die Unterlippe. Leicht gebogen, besaßen sie feine Kanäle, durch die Heaven Blut zu saugen vermochte...
Menschenblut.
Aber dies waren nicht bloße Werkzeuge zur Nahrungsbeschaffung – es waren auch gefährliche Waffen! Wie ihre Hände, die sich zu Klauen mit rasiermesserscharfen Fingernägeln verformt hatten.
Ähnlich bewehrt war der Feind, der mit
Weitere Kostenlose Bücher