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Weiß wie der Tod

Weiß wie der Tod

Titel: Weiß wie der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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schossen. Für eine Vierzehnjährige war das eine ziemlich finstere Phantasie. Was Lili jedoch wirklich erschreckte, war ein einziger roter Punkt in diesem Schwarz aus grollendem Himmel und leidender Kreatur.
    »Darf ich?«, fragte Lili leise und nahm das Papier zur Hand.
    Der rote Punkt lag zwischen den Beinen der Figur.
    »Hast du dieses Motiv schon mal gesehen?«
    Nicole schüttelte den Kopf, den Blick vor sich auf den leeren Tisch gerichtet.
    »Woher hast du es dann?«
    Nicole antwortete nicht.
    »Hast du …?«
    »Nein«, schnitt ihr Nicole das Wort ab.
    Lili gab ihr das Blatt zurück. »Komm bitte nach der Stunde in mein Zimmer.«

4
    Drei Absolut?«, fragte der Mann hinter dem Tresen. Levy nickte und zückte einen Fünfziger.
    »Vier plus eins. Angebot der Woche«, sagte der Mann.
    Levy dachte nicht lange nach.
    Vorbei an den Nutten vom Kiez und an torkelnden Touristen, die selbst im Regen ihre St.-Pauli-Erkundungen nicht aufgeben wollten, hielt er schnurstracks über die Davidstraße auf seine Wohnung zu. Als sich die Tür des Aufzugs hinter ihm schloss, öffnete er die Flasche und setzte sie an. Nicht denken, nicht fühlen.
    Der Computer meldete fünf Nachrichten im Posteingang. Levy kümmerten sie nicht. Bis auf die Haut durchnässt und mit der Flasche in der Hand ließ er sich aufs Bett fallen. Die Wärme strömte wohltuend in seinen Magen.

5
    Stephan Voss war bestens gelaunt. Eine Fondsbeteiligung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung hatte er heute an die Frau gebracht.
    Die Kleine war eine Schnepfe aus dem Badischen gewesen, die ihre erste Stelle bei einer Softwarefirma angetreten hatte. Eine geschlagene Stunde hatte er sich den Unsinn über Examensstress, verstaubte Professoren und die Karriere, die nun auf sie wartete, anhören müssen. Damit ihr auf diesem Weg nichts mehr in die Quere kam, wollte sie auf Nummer sicher gehen und Vorsorgen.
    Wie immer in den Abschlussgesprächen hatte er alle Informationen parat – Vermögensaufstellung, familiärer Hintergrund, Lebensplan –, um die geeignete Absicherung für die Widrigkeiten des Lebens zusammenzustellen. Er schmunzelte. Als könnte man das Leben versichern.
    Der Erstkontakt hatte vor vier Wochen stattgefunden. Einer seiner Kunden hatte ihn weiterempfohlen. Sie waren über ganz Deutschland verteilt, und deshalb war er viel unterwegs. Doch wann immer er es einrichten konnte, verließ er seine Wohnung in St. Georg nicht. Er lebte in zwei Zimmern mit Küche und Bad. Nichts Besonderes. Außer dass er die alleinige Verfügungsgewalt über einen Kellerraum hatte, den nur er betreten konnte. Er lag abgelegen im hinteren Teil des Hauses tief unter der Erde. In den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs hatte er vielen Hamburgern das Leben gerettet. Heute war das anders.
    Die Vermieterin, eine alleinstehende Frau in ihren Achtzigern, hatte den Keller bei einem Beratungsgespräch erwähnt. Sie plapperte über ihre Kinder und Enkel, die nach Süddeutschland gezogen waren und für die sie nach der Zeit ihres Ablebens Vorsorgen wollte. Voss hörte nur mit einem Ohr zu, seine Gedanken kreisten um den Keller. Er musste aus seiner alten Wohnung raus und suchte dringend etwas Neues. Da kam ihm die Alte mit ihrer Wohnung und dem Keller gerade recht. Er berichtete von der schlechten Nachbarschaft und seinem Hobby, dem Schlagzeugspielen, das ihm durch die Beschwerden der Anwohner vergällt worden war. Wenn sie ihm diese Wohnung und den Keller vermietete, dann würde er ihr ein besonderes Paket für die lieben Kleinen zusammenstellen, das sonst niemand bekäme. Das Stundenhotel gleich nebenan störe ihn nicht.
    Die Alte empfand das als gutes Geschäft und willigte ein. So waren beide zufrieden – sie in ihrer Illusion und er mit einem neuen Hobbyraum.
    Stephan Voss schälte sich aus dem Anzug und hängte ihn sorgsam auf den Bügel. Das Affenkostüm würde er diese Woche nicht mehr benötigen. Während er den Overall überstreifte, dachte er an das Flittchen vom Nachmittag. Er würde ihr vier Wochen Zeit geben. Dann wollte er sie wie zufällig vor ihrer Haustür abpassen, um noch eine Frage zur getätigten Finanzanlage zu klären. Die Unterlagen habe er dabei, und man könne es gleich in seinem Wagen besprechen. Argwohn hatte er bei dieser Vorgehensweise noch nie erlebt. Das Geschäft beruhte auf Vertrauen.
    Er packte die Reinigungsmittel in einen Eimer, zog die Gummistiefel an und verließ die Wohnung. Im Treppenhaus war es ruhig. Ebenso im Untergeschoss. Er schloss

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