Weiß wie der Tod
Tag seines Freigangs an beobachtet. Anfänglich verhielt er sich unverdächtig, ganz nach den Auflagen. Dann aber machte er sich auf Wohnungssuche.«
»Wie soll das funktioniert haben? Er stand doch unter Beobachtung.«
»Er meldete sich freiwillig für die Beschaffung der Mahlzeiten. Da hatte er gut eine Stunde Freiraum. Nicht weit von der Fleischerei in der Silbersackstraße entfernt fand er schließlich diesen Kellerraum.«
»Wieso haben Sie das nicht gemeldet?«
»Ich wollte wissen, was er vorhat. Wenn ich ihn verraten hätte, dann wäre er mit einem Verstoß gegen die Auflagen davongekommen, und ein Jahr später hätte die Sache erneut begonnen.«
»Okay, was passierte dann?«
»Er begann sich einzurichten. Nicht viel. Einen Tisch, Stühle, ein Bett und einen Computer.«
»Wie soll er an den gekommen sein?«
»Keine Ahnung. Eines Tages kam er mit dem Ding aus der Werkstatt. Ich nehme an, einer seiner Kollegen hat ihm den Rechner zur Verfügung gestellt.«
»Ging er damit online?«
»Ja.«
»Wie? Dafür braucht man eine feste Adresse und einen Telefonanschluss. Wir haben keinen im Keller gefunden.«
»Er nutzte eine kabellose Verbindung. Sie müssen nur das Signal eines schwach gesicherten WLAN-Netzwerks in der Nähe ausfindig machen. Die Anleitung dafür finden Sie im Netz, oder Sie geben einem, der sich damit auskennt, einen Zehner, und der Rest ist kein Problem.«
»Was passierte dann?«
»Mandrak suchte Kontakt zu neuen Opfern. Dieses Mal übers Internet. Ich habe mich vor dem Haus in seine Verbindung eingeklinkt und konnte alles mitlesen.«
»Wie lange ging das, und wann haben Sie sich entschlossen zuzuschlagen?«
»Nach zwei Wochen. Er brauchte immer länger auf seinen Touren, bis er eines Tages beschloss, nicht mehr in die Werkstatt zurückzukehren. Da wusste ich, dass etwas unmittelbar bevorstand.«
»Was?«
»Ich weiß es nicht. Ich konnte ihn ja nicht den ganzen Tag verfolgen. Auf jeden Fall drang ich in den Keller ein und ertappte ihn, wie er dabei war, ein Treffen zu arrangieren.«
»Mit wem?«
»Kann ich nicht sagen.«
»Aber Sie haben es doch geschafft, ihn abzuhören?«
»Ja.«
»Dann mussten Sie doch wissen, mit wem er sich treffen wollte?«
Thorsten Waan suchte nach einer Antwort. Michaelis bemerkte, dass an seiner Aussage etwas nicht stimmte.
»Er lügt«, sagte Levy im Nebenraum.
Benguela stimmte ihm zu. »Und wie. Ich frage mich nur, wieso.«
Dieselbe Frage ging Levy durch den Kopf. Wieso log Thorsten Waan? Mit seinem Geständnis war er auf direktem Weg ins Gefängnis. Das wusste er. Warum log er jetzt?
Die Tür ging auf, und Dragan Milanovic kam herein. »Ist Naima bei euch?«
»Nein«, antwortete Benguela. »Was gibt’s?«
»Ich habe Neuigkeiten zu einer Spur, die sie sichergestellt hat.«
»Welcher Spur?«
»Der abgebrochene Zahn aus der Speicherstadt.«
»Er gehört zu Termühlen oder zu Landau«, antwortete Levy. »Habe ich recht?«
Milanovic zeigte sich überrascht. »Landau. Richtig. Woher weißt du das?«
»Jetzt ergibt alles einen Sinn.« Er nahm über das Interkom Verbindung mit Michaelis auf. »Frag ihn, welche Kampfsportarten er außer Karate noch beherrscht beziehungsweise unterrichtet.«
Thorsten Waan war verunsichert. Was sollte die Frage? »Aikido, Judo …«
»Die mit Schlagstöcken zu tun haben.«
»Kendo …«
»Mit kurzen Stöcken«, unterbrach Levy übers Interkom.
Michaelis drehte sich zu ihm um. Sie verstand nicht, was es damit auf sich hatte.
Levy verließ den Nebenraum und ging ins Befragungszimmer. »Ich meine eine Kampfsportart, die mit kurzen Stöcken ausgeführt wird«, fragte er Thorsten Waan.
Michaelis stellte ihn vor und bestand auf einer Antwort.
Thorsten Waan versuchte den Hintergrund der Frage herauszufinden und zögerte.
»Also«, wiederholte Levy, »welche Kampfsportart ist es? Sie können es jetzt sagen, oder wir rufen in der Sporthalle an.«
»Eskrima«, antwortete Thorsten Waan schließlich. »Es ist eine philippinische Kampfkunst, die waffenlosen Kampf, Stockkampf und Klingenkampf verbindet.«
»Wem bringen Sie das bei?«
»Jedem, der danach fragt.«
»Auch Ihrer Tochter Lilith?«
62
Hilf mir«, sagte Lili. Sie torkelte benommen durch den Raum. Vor ihr lag Stephan auf dem Boden. Er rührte sich nicht mehr.
»Was hast du vor?«, fragte Jenny.
»Wo sind meine Stöcke? Ich sehe alles verschwommen.«
»Sie liegen hinten in der Ecke.«
»Hol sie mir bitte.«
Jenny rüttelte an den Handschellen, mit
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