Weiß wie Schnee, rot wie Blut, gruen vor Neid
kritzelte etwas darauf und drückte ihn mir in die Hand. Dann gab er mir einen Kuss auf die Wange und sagte: »Tschüss, Prinzessin. Auf bald!«
Ich war verwirrt. Johnny D, der coolste aller Hamburger DJs, hatte soeben mir, Sarah Sandmann, seine Handynummer gegeben!
Auf dem Weg zur Marktstraße schwebte ich wie auf Wolken und plapperte bestimmt jede Menge wirres Zeug. Dad schien das zum Glück nicht weiter zu stören – oder er hörte mir gar nicht erst zu.
Die Frage, die mich beschäftigte, als ich abends im Bett lag und Musik hörte, war: »Wieso schmeichelte es mir so, dass Johnny D Interesse an mir hatte?« Ich war doch in Paolo verknallt – oder etwa nicht?
Als eine Stunde später Bellas Stimme über den Flur keifte, kannte ich die Antwort: Mein Interesse galt nicht Johnny selbst, sondern seiner Lebensweise. Er hatte all die Freiheit, die ich nicht hatte. Er verdiente sein Geld mit etwas, das ihm Spaß machte, und er wohnte zusammen mit coolen Typen in einem hippen Stadtteil. Er musste nicht darauf achten, wann die letzte U-Bahn Richtung Nobodytown fuhr. Er konnte die Nacht zum Tag machen und niemand fragte, woher er kam und wohin er ging.
Mir wurde klar: Wenn ich nicht bald komplett versauern und verblöden wollte, musste ich schleunigst hier weg. Besser heute als morgen. Ab Montag war mein Dad wieder unterwegs und wer wusste schon so genau, wie lange er diesmal bleiben würde?
Ich wälzte mich unruhig hin und her. Mit Bella zusammenzuleben, war echt keine Option mehr. Doch bis zu meiner Volljährigkeit war es leider noch ein ganzes Weilchen hin…
3
»Spieglein, Spieglein an der Wand.
Wer ist die Schönste im ganzen Land?«
Die Frau saß wie jeden Morgen vor den großen, hell ausgeleuchteten Spiegeln in ihrem Spiegelzimmer und betrachtete sich kritisch von allen Seiten. Es hatte keinen Sinn, sich von gedämpftem Licht täuschen zu lassen.
Wenn sie diesen Wettbewerb gewinnen wollte, würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun müssen, um jeden noch so kleinen Makel zu erkennen und mit aller Entschlossenheit zu bekämpfen. Sie war schon so weit gekommen, um nichts auf der Welt würde sie sich jetzt noch aufhalten lassen.
Als Preisgeld winkten dreißigtausend Euro, ein nagelneues BMW-Cabriolet und – das war das Allerwichtigste – ein Werbevertrag mit einem bekannten Kosmetikhersteller. Ihr Gesicht würde von haushohen Plakatwänden auf die Stadt hinabblicken. Tausende von Leserinnen würden ihr Bild auf dem Cover der wichtigsten und einflussreichsten Modemagazine des Landes sehen. Vielleicht würde sogar ein TV-Spot mit ihr gedreht werden…
Sobald die Frau dieses Ziel erreicht hatte, wäre sie endlich frei. Sie wäre nicht mehr gezwungen, zu heucheln, zu lächeln, zu schmeicheln, obwohl sie sich selbst dafür hasste. Und vor allem wäre sie nicht mehr gezwungen, mit anzusehen, wie das Mädchen von Tag zu Tag schöner wurde, ohne etwas dafür tun zu müssen.
Während ihre eigene Schönheit immer mehr dahinwelkte, erblühte die anderewie eine Rose. Der Teint so ebenmäßig und hell, als sei er aus Milch und Honig. Das rabenschwarze Haar, das in glänzenden Kaskaden ihren schmalen, zarten Rücken hinunterfloss. Die vollen, sinnlich geschwungenen blutroten Lippen, an die noch nie auch nur ein Hauch von Gloss oder Lippenstift gekommen war. Die Wimpern so lang und so gebogen, als hätte man sie mit einer Zange und Unmengen von Mascara bearbeitet.
All das, was sich die Frau mit viel Kosten und Mühen erkämpft hatte, war dem Mädchen von der Natur im Übermaß geschenkt worden.
Sie griff mit spitzen Fingern nach dem schnurlosen Telefon und wählte die Nummer ihres Vertrauten und treuesten Verbündeten gegen den unaufhaltsamen Verfall ihrer natürlichen Schönheit.
»Meng am Apparat«, ertönte eine sonore männliche Stimme und für einen Moment wurde die Frau ruhig. Doktor Walther Meng würde wissen, was zu tun sei. Gleich nächste Woche würde sie zu ihm an den Starnberger See fahren und sich in seine erfahrenen Hände begeben.
Ihm vertraute sie vorbehaltlos und konnte es kaum erwarten, endlich wieder in seiner Nähe zu sein.
Sie würde sich von ihm begutachten, fotografieren und beraten lassen. Er würde wissen, was das Beste für sie war, er hatte es immer gewusst.
Viel zu lange schon hatte sie getrennt von ihm sein müssen. Und viel zu lange hatte sie diesen Langweiler von Ehemann an ihrer Seite ertragen müssen.
Damit würde bald Schluss sein, dachte sie triumphierend, als sie das
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