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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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der Versteigerung der frisch eingetroffenen Sklaven. »Es war ein unsäglicher Anblick, wie sie dort auf dem Marktplatz zur Schau gestellt wurden«, schrieb er. »Die Frauen wurden von ihren Ehemännern getrennt und die Kinder von ihren Eltern.« Dan musste hilflos mit ansehen, wie »auf der einen Seite ein Mann verkauft wurde, auf der anderen seine Frau; und ihre Tochter wurde aus ihren Armen gerissen, ohne jede Hoffnung, die Mutter je wiederzusehen.«
    Der kühne Handstreich von Murat Reis wurde im ganzen Maghreb gefeiert, und man ließ ihm die hohe Ehre angedeihen, ihn zum Wesir des Hafens von Safi zu machen, der etwa 200 Meilen südlich von Salé lag. Kurze Zeit später erhielt er Besuch von seiner Tochter, die feststellen musste, dass ihm die Macht zu Kopfe gestiegen war. Er saß »in großem Pomp auf einem Teppich, gestützt auf seidene Kissen und von zahlreichen Dienern umgeben«. Er verabschiedete sich »in der Art eines Königs«.
    Murat Reis war nur einer von vielen europäischen Renegaten, die sich mit den fanatischen Korsaren in der Berberei verbündeten. Kurz nachdem König Jakob I. einen Friedensvertrag mit der spanischen Krone unterzeichnethatte, machte sich der englische Apostat John Ward auf den Weg nach Tunis. Da es ihm nun verboten war, die spanische Schatzflotte anzugreifen, schwor Ward, er werde »ein Feind aller Christen sein, ihre Handelsschiffe verfolgen und ihren Reichtum schmälern«. Mit seiner vor Ort rekrutierten Mannschaft fügte er dem Handel im Mittelmeerraum derart verheerenden Schaden zu, dass sein Name an der ganzen nordafrikanischen Küste gepriesen wurde.
    Der Herrscher von Tunis war so entzückt, dass er Ward ein verlassenes Herrenhaus und ein großes Stück Land überließ. Ward machte daraus seine Hauptresidenz, »ein sehr prächtiges Haus, das einem Prinzen sehr viel eher geziemte als einem Piraten«. Er führte »ein durchaus fürstliches und prachtvolles Leben«, wie Andrew Barker, einer seiner englischen Gefangenen, berichtete. Barker war fasziniert von dem Reichtum, den Ward angehäuft hatte, und erklärte, er habe in England nie »einen Herrn gesehen, der sein Amt mit mehr Würde trug oder ähnlich beflissene Diener hatte«.
    Wie viele abtrünnige Christen hatte sich Ward ursprünglich der Piraterie zugewandt, um Gold zu erbeuten. Doch er begriff rasch, dass die Händler in den Barbareskenstaaten eher an menschlichen Schätzen interessiert waren und gewaltige Summen für christliche Sklaven bezahlten, die als Arbeitskräfte, Hausdiener und Konkubinen verkauft werden konnten. Also verlegte sich Ward darauf, die Mannschaften der gekaperten Schiffe gefangen zu nehmen, um sie auf den Sklavenmärkten in Tunis, Algier oder Salé zu verschachern.
    Die Korsaren von Salé verstanden sich besonders gut auf die Jagd nach Männern, Frauen und Kindern und erwarben im Handel mit den gefangenen Christen fabelhafte Reichtümer und große Macht. Um das Jahr 1626 (also zur Zeit der Raubzüge in Cornwall und Devon) hielten sie es bereits nicht mehr für notwendig, Gehorsam gegenüber dem marokkanischen Sultan zu heucheln, und machten deutlich, dass sie fortan selbst herrschen wollten. »Sie beschlossen, in Freiheit zu leben«, schrieb der französische Sklave Germain Mouette. »Da sie den Einheimischen von Salé an Zahl überlegen waren, waren sie nicht länger verpflichtet, einem Souverän als Untertanen zu dienen.« Salé verwandelte sich in eine Piratenrepublik und wurde von nun an von einem aus zwölf Korsaren und Sklavenhändlern gebildeten Diwan regiert, dem ein Großadmiral vorstand.

    In England wusste man kaum etwas über das Schicksal der Menschen, die von den Korsaren verschleppt worden waren. Die Menschen verschwanden spurlos, und von den meisten hörte man nie wieder etwas. Doch einem von ihnen gelang es, einen Brief in die Heimat schmuggeln zu lassen: Robert Adams, der zu den Ersten gehörte, die im Verlauf der Raubzüge in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts entführt wurden, schickte seinen Eltern im West Country eine Nachricht. »Meine geliebten Eltern«, schrieb er, »ich lebe hier in Salé in elender Gefangenschaft und befinde mich in der Hand der grausamsten Tyrannen.« Adams erklärte seiner Familie, dass er bald nach seiner Ankunft in der Stadt auf dem Sklavenmarkt verkauft worden war und von seinem Besitzer miserabel behandelt wurde. »Er lässt mich vom Morgen bis in die Nacht wie ein Pferd in einer Mühle arbeiten, an den Beinen Ketten von je 36 Pfund

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