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Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)

Titel: Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Urs Wälterlin
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muss ich für einen Zeitungsartikel nach Campbelltown fahren, rund 80 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Kaum drei Kilometer auf Achse, und man ist im »Inneren Westen«. Arbeitervororte, einst durch Parks, Grünflächen und sogar Wald voneinander getrennt, sind in den letzten Jahren zu einem Konvolut zusammengewachsen. Einige »Suburbs« – Vororte – sind Hochburgen für eine der ethnischen Gruppen, die in Sydney leben. In jedem dritten Haushalt in Sydney wird neben Englisch noch eine weitere Sprache gesprochen – Arabisch und Chinesisch. In Lakemba etwa. Ein Basar fast, mit Einwanderern aus dem Nahen Osten, aus Irak, Iran, Libanon, viele in ihrer traditionellen Kleidung. Männer schlürfen Tee und ziehen an der Wasserpfeife. Oder Bankstown, nur einen Steinwurf weiter Richtung Westen. Wenn man in der Hauptgeschäftsstraße die Augen schließt, könnte man glauben, man sei in Vietnam. Englisch hört man kaum, in Bankstown ist Vietnamesisch Hauptsprache. Auf dem Gehsteig preisen Händler frisches Gemüse an. Beim Metzger hängen Schweinehälften hinter dem Schaufenster, darunter gekochte Hühnerfüße, inklusive Krallen. Der Geruch von Pho, der vietnamesischen Nudelsuppe, sticht mir in die Nase. In einem kleinen Restaurant mit Plastiktischen und Plastikstühlen schlürfe ich aus einer riesigen Plastikschüssel Reisnudeln, getunkt in Hoi-Sin- und Chilisauce. Das ist Sydney. Wenn man hier lebt, muss man eigentlich nicht mehr die Welt bereisen. Man fährt einfach in den nächsten Vorort.
    Von wegen Outback und viel Platz: Australien ist eines der am urbanisiertesten Länder der Welt. »Suburbia« – ein Land von Vororten. Fast 90 Prozent der Einwohner leben in den Großstädten der Ostküste, der überwältigende Teil in außenliegenden Vororten. Ich fahre auf dem Hume Highway gegen Süden. Wie ein wildwucherndes Krebsgeschwür frisst sich »Suburbia« in die Landschaft, alles verzehrend, was im Weg steht – Wälder, Bäche, Naturgebiete. Wo vor zwei Jahren noch Kühe grasten, protzen heute riesige Siedlungen. Ein Einfamilienhaus nach dem anderen, eines größer und opulenter als das nächste. Der Besitz eines Eigenheims ist der Traum jeden Australiers. »Australier kaufen sich in der Regel das kleinste Stück Land, um Geld zu sparen«, hat mir einmal ein Architekt erklärt. »Dafür bauen sie sich dann ein Haus, das bis einen Meter zum Zaun reicht.« So leben Millionen von Menschen derart eng zusammen, dass sie in einer lauen Sommernacht das Schnarchen des Nachbarn im Haus nebenan hören können. Und das in einem der am dünnsten besiedelten Länder der Welt.
    In Campbelltown fahre ich zum Lokalgericht. Als ich parke, sehe ich bereits vier Fernsehteams, die mit gezückten Kameras auf die Ankunft der Anwälte warten. Ivan Milat, ein 40-jähriger Straßenarbeiter, ist des Mordes an sieben jungen Rucksacktouristen beschuldigt. Man hat ihre Leichen in einem Wald rund zwei Stunden südlich von Sydney gefunden. Das Interesse der Medien ist überwältigend. Die Opfer waren gefoltert und dann ermordet worden. Drei der Toten waren deutsche Touristen – die deutsche Presse ist voll von Sensationsberichten über den »Backpacker-Killer«. Meine Zeitungen wollen einen Artikel über den Vorprozess. Der Fall wird mich noch über Jahre beschäftigen.
    Nie aber hätte ich gedacht, dass wir es einmal – zumindest indirekt – einem Serienmörder zu verdanken haben, dass auch wir Eigenheimbesitzer werden.
    Der Gerichtssaal ist vollgepackt mit Zuschauern und Medien, als der Magistratsrichter in sonorem Ton die Beweislage gegen den Angeklagten verliest – stundenlang, tagelang. Der »Backpacker-Fall« ist eine der größten und aufwühlendsten Geschichten, die ich in 20 Jahren in Australien schreiben werde. Kaum ein Anlass ist in Europa auf so große Beachtung gestoßen wie das Schicksal von Simone Schmidl, Anja Habschied und Gabor Neugebauer, die zusammen mit zwei Australiern und zwei Britinnen Opfer des berüchtigtsten Serienmörders der jüngeren australischen Geschichte geworden waren. Alle sieben Opfer waren per Autostopp von Sydney gegen Süden losgezogen und dann verschwunden. Sie taten, was jedes Jahr Zehntausende von jungen Menschen tun: Mit einem Rucksack und einem kleinen Budget erfüllten sie sich den Traum einer Australienreise.
    Die starren Verhandlungsregeln des britischen Gerichtssystems, das Australien weitgehend übernommen hat, lassen kaum Platz für Emotionen. So sitzt der Mann, dem vorgeworfen

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