Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
frühere konservative Premierminister Malcolm Fraser. Abbotts Ansichten sind geprägt von geradezu archaischer konservativer Ideologie. So meinte er, Frauen könnten es schon alleine aus physiologischen Gründen im öffentlichen Leben nie so weit bringen wie Männer. Abbott ist streng katholisch und strikt gegen Abtreibung. Homosexualität sei für ihn »bedrohlich«, sagte er, gleichgeschlechtliche Ehe eine »Frage des Lebensstils«. Und Klimawandel sei »absoluter Mist«.
Abbott präsentierte jahrelang keine eigenen politischen Ideen, keine Programme, nur Kritik. Doch die Sozialdemokraten waren zerstritten. Die Gillard-Rudd-Führungskrise. Korruptionsskandale. Die Wähler hatten jedenfalls genug. Noch immer nicht genug aber, um Tony Abbott zu mögen, den ehemaligen Priesterseminaristen, dann Möchtegernboxer, dann Journalist, dann den konservativen Politikern. Das sollte sich aber ändern.
Einmal mehr holte Rupert Murdoch zum Schlag aus. Der Amerikaner erklärte, er wolle Abbott als Premierminister sehen, und wies seine Chefredakteure an, entsprechend zu berichten. Seit Jahren schon waren seine Zeitungen Instrumente der Anti-Klimawandel-Propagandamaschine. Jetzt berichteten die Zeitungen nur noch negativ über Rudd. »Schmeißt dieses Gesindel raus«, titelte der Telegraph . Und einmal mehr appellierte ein Politiker an den Rassismus. Er werde die Rechte von Asylsuchenden noch weiter beschneiden, versprach Abbott. »Es wird eine Zeit kommen, in der wir diesen Moment als schwarzen Fleck in unserer Geschichte sehen werden«, analysiert der bekannte Soziologe Hugh Mackay den Wahlkampf.
Ein paar Wochen später haben sich Violas Befürchtungen bewahrheitet. Die Konservativen haben im Parlament die Mehrheit gewonnen, Tony Abbott ist Premierminister. Für mich als Journalist beginnt eine interessante Zeit, in der ich meinen Lesern und Hörern das neue Australien erklären kann, wie es denn auch immer aussehen wird.
Für mich als Vorsitzenden unserer kleinen Community Group beginnt erst mal der Aufbau der Moral unter den Mitgliedern. »Es gibt keinen Grund, jetzt aufzugeben. Ganz im Gegenteil«, sage ich während der ersten Versammlung unserer Gruppe nach den Wahlen.
Ich erinnere meine Freunde an das, was wir geschafft haben – nicht wegen der Politik, nicht mit der Politik, sondern trotz der Politik.
Wenn ich daran denke, wie wir vor all diesen Jahren hier begonnen haben, bei einer Tasse Kaffee, Corina und ich, dann Trish und dann all die andern, so erfüllt mich das mit Hoffnung. Hunderte von Häusern in Greentown, ja der Region haben heute als Folge von »Greentown Goes Solar« Solarstromanlagen installiert. Eine von uns konzipierte und von den Neinsagern im Dorf erst mal heftig bekämpfte Kampagne, mit der das Council unsere Region als attraktiven Standort für Treechanger vermarktet, für Entrepreneure, für Menschen mit innovativen Ideen und als Lebensort für Familien, wird immer erfolgreicher. Das Sumpfgebiet, das wir zu einem ökologischen Wunderland umbauen, ist landesweit ein Musterbeispiel für ein von der Gemeinde geführtes Projekt. Noch wichtiger aber ist, dass es den Bewohnern von Greentown Gelegenheit gibt, involviert zu sein, Gemeinschaft zu erleben, Freunde zu finden. Jeden Mittwoch pflanzen Rod und sein Team gemeinsam mit den Nachbarn Bäume, schaufeln Kies. Menschen wie Les machen mit, ein polnischer Einwanderer, der jahrelang keinen Kontakt gehabt hatte im Dorf, weil er sich für seinen starken Akzent geschämt hatte. Und im Geschäftszentrum von Greentown weiten wir ein WLAN-Netz aus, über das wir kostenlosen Internetzugang anbieten, um Besucher ins Dorf zu locken. Wir sind eine von wenigen Gemeindegruppen auf der Welt, die das anbieten. Wie fast immer war der Gemeinderat erst einmal dagegen. So bauten wir das Netz halt selbst. Heute wird es vom Bürgermeister gelobt. Auch unsere Internet-Kampagne ist erfolgreich. Ted zog sich stillschweigend von unserer Facebook-Seite zurück, nachdem andere Mitglieder jede einzelne seiner abstrusen Behauptungen sofort mit wissenschaftlich belegten Fakten zerrissen hatten.
Und das Projekt, das mich dazu veranlasst hatte, diese Gruppe überhaupt zu gründen, dieses Logistikzentrum auf der anderen Seite der Autobahn? Diese Monsteranlage, die unser Dorf für alle Zeiten verschandelt hätte? Die Finanzkrise hatte die Pläne zunichtegemacht. Zum Glück. Denn nun sind wir in Verhandlungen mit dem Industriellen, um auf dem Gelände eine Solaranlage aufzubauen, die
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