Weit wie das Meer
morgen seine Leiche gefunden.«
Sie fühlte, wie sich ihr die Brust zusammenschnürte, und glaubte zu ersticken.
»Er ist tot, Theresa.«
Am Strand, wo alles begonnen hatte, dachte Theresa an die Ereignisse vom Vorjahr zurück.
Sie hatten ihn neben Catherine beerdigt, auf einem kleinen Friedhof in der Nähe seines Hauses. Bei der Trauerfeier standen Jeb und Theresa am Grab, umgeben von Menschen, die Garretts Lebensweg gekreuzt hatten - Freunde von der High-School, ehemalige Tauchschüler und Angestellte. Es war eine schlichte Feier, und trotz des einsetzenden Regens verweilten die Trauergäste anschließend noch eine Weile am Grab.
Später, als Jeb und Theresa wieder allein in Garretts Haus waren, holte Jeb eine Schachtel hervor, um gemeinsam mit ihr den Inhalt durchzusehen.
Es waren Hunderte von Fotos darin. Und in den nächsten Stunden entfaltete sich vor Theresas Augen Garretts Kindheit und Jugend - all die ihr unbekannten Phasen seines Lebens, von denen sie nur eine vage Vorstellung gehabt hatte. Es folgten Fotos aus späteren Jahren: die Zeit am College; die Restaurierung der Fortuna; die Eröffnung des Ladens.
Auch von Catherine gab es Dutzende von Fotos. Jeb hätte sie ihr wohl gerne vorenthalten, aber seltsamerweise berührte ihr Anblick Theresa kaum. Für sie gehörte Catherine einfach zu einem anderen Abschnitt in Garretts Leben.
Ganz zum Schluß sah sie den Garrett, in den sie sich verliebt hatte. Besonders ein Foto hielt sie lange sinnend in der Hand. Jeb, der es bemerkte, erklärte ihr, daß es am Memorial Day, dem Heldengedenktag, aufgenommen worden war - wenige Wochen bevor die Flasche an den Strand von Cape Cod gespült worden war. Es zeigte Garrett auf seiner Veranda, ganz ähnlich wie sie ihn an ihrem ersten gemeinsamen Abend erlebt hatte.
Als sie das Foto schließlich vor sich hinlegte, nahm Jeb es ihr behutsam ab.
Am folgenden Morgen überreichte er Theresa einen Umschlag, in dem, neben anderen, dieses Foto enthalten war; dazu die drei Briefe, dank derer Theresa und Garrett einander gefunden hatten.
»Ich glaube, es ist in seinem Sinne, wenn Sie sie an sich nehmen.«
Theresa brachte kein Wort heraus. Sie konnte nur dankbar nicken.
An die ersten Tage, die auf ihre Rückkehr nach Boston folgten, konnte und wollte sich Theresa nicht erinnern. Sie entsann sich lediglich, daß Deanna sie vom Flughafen abgeholt hatte. Noch am Flughafen rief Deanna ihren Mann Brian an, um ihm mitzuteilen, daß sie ein paar Tage bei Theresa wohnen würde. Theresa verbrachte die meiste Zeit im Bett und stand nicht einmal auf, wenn Kevin aus der Schule kam.
»Wird meine Mutter wieder gesund?« fragte Kevin.
»Laß ihr ein wenig Zeit, Kevin«, antwortete Deanna. »Ich weiß, es ist auch für dich hart, aber es geht ihr bestimmt bald besser.«
Theresas Träume in dieser Zeit waren verworren, aber seltsamerweise kam Garrett nicht in ihnen vor. Sie fragte sich, ob das ein Omen war. In ihrer Benommenheit fiel es ihr schwer, klar zu denken. Deshalb ging sie früh zu Bett und fühlte sich in der besänftigenden Dunkelheit ihres Schlafzimmers am geborgensten.
Manchmal empfand sie beim Erwachen für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, das Ganze sei nur ein absurder Alptraum. Und in diesen Augenblicken schien alles zu sein, wie es sein sollte: Der leere Platz neben ihr im Bett bedeutete, daß Garrett schon in der Küche war, Kaffee trank und die Zeitung las. Sie würde gleich zu ihm gehen und kopfschüttelnd sagen: Ich habe einen schrecklichen Traum gehabt…
Nur an eines erinnerte sie sich noch: In jener Woche hatte sie verzweifelt versucht zu begreifen, wie dies alles hatte geschehen können. Sie hatte Jeb bei ihrer Abreise aus Wilmington das Versprechen abgenommen, sie anzurufen, falls ihm noch irgend etwas über den Tag von Garretts letztem Segelausflug auf der Fortuna zu Ohren käme. Denn seltsamerweise glaubte sie, es würde ihren Schmerz erträglicher machen, wenn sie weitere Einzelheiten - das Warum - erfahren würde. Der Gedanke aber, daß Garrett vielleicht nicht hatte zurückkehren wollen, kam ihr erst gar nicht. Jedes Mal, wenn das Telefon läutete, stellte sie sich vor, Jebs Stimme zu vernehmen, und hörte sich selbst antworten: »Ach, ja… ich verstehe… Das ergibt einen Sinn…«
Tief im Innern wußte sie natürlich, daß Jeb ihr keine Erklärung würde liefern können. Und auch ständiges Grübeln half ihr nicht weiter. Nein, die Antwort kam auf völlig unvermutete Weise.
Als
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