Weiter weg
Konsumkultur für lieben . Das Bemerkenswerte an allen Konsumprodukten – ganz besonders an elektronischen Geräten und Anwendungen – ist, dass sie hergestellt werden, um ungeheuer zu gefallen. In der Tat ist das eben die Definition eines Konsumprodukts – im Gegensatz zu einem Produkt, das einfach nur es selbst ist und dessen Hersteller nicht darauf fixiert sind, dass es gefällt. Ich denke hier an Flugzeugmotoren, Laborausstattungen, ernsthafte Kunst und Literatur.
Doch wenn man das auf Menschen bezieht und sich jemanden vorstellt, der sich über den verzweifelten Wunsch zu gefallen definiert, was sieht man dann? Einen Menschen ohne Integrität, ohne eine Mitte. In eher pathologischen Fällen einen Narzissten – eine Person, die die Beeinträchtigung ihres Selbstbildes, die jedes Nichtgefallen mit sich bringt, nicht erträgt und sich menschlichen Kontakten deshalb entweder entzieht oder sich auf eine extreme, die eigene Integrität opfernde Weise zu gefallen bemüht.
Widmet man jedenfalls seine Existenz dem Gefallenwollen und nimmt deshalb alle möglichen coolen Persönlichkeitsmerkmale an, die gerade gefallen, dann hat man es wohl aufgegeben, als derjenige geliebt werden zu wollen, der man wirklich ist. Und wenn es einem gelingt, die anderen so zu manipulieren, dass man ihnen gefällt, wird es einem zu gegebener Zeit nicht schwerfallen, diese Leute zu verachten, eben weil sie auf einen hereingefallen sind. Diese Leute sind da, damit man sich mit sich selbst gut fühlt – aber wie gut kann dieses Gefühl sein, wenn es einem von Leuten vermittelt wird, die man nicht achtet? Da kann man dann schon mal depressiv werden oder Alkoholiker oder, wie Donald Trump, (vorübergehend) Präsidentschaftskandidat.
Produkte der Konsumtechnologie würden etwas so Unattraktives natürlich niemals tun, sind sie doch keine Menschen. Sie sind allerdings großartige Verbündete und Narzissmus-Helfer. Außer ihrem eingebauten Bestreben zu gefallen verfügen sie auch über das eingebaute Bestreben, uns gut aussehen zu lassen. Vom sexy Facebook-Interface gefiltert, sieht unser Leben gleich viel spannender aus. Wir spielen die Hauptrolle in unseren eigenen Filmen, wir fotografieren uns unablässig, wir klicken mit der Maus, und eine Maschine bestätigt unsere Überlegenheit. Und weil die Technik ja eigentlich nur eine Erweiterung unseres Ichs ist, müssen wir sie, anders als die echten Menschen, für ihre Manipulierbarkeit nicht einmal verachten. Alles ist eine große, endlose Schleife. Der Spiegel gefällt uns, und wir gefallen dem Spiegel. Sich mit jemandem anzufreunden bedeutet schlicht, diesen Jemand in unser Privatkabinett aus schmeichelnden Spiegeln zu integrieren.
Vielleicht übertreibe ich ein bisschen. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Sie es satt, schrullige Einundfünfzigjährige auf die sozialen Netzwerke schimpfen zu hören. Ich möchte hier bloß einen Gegensatz aufbauen zwischen den narzisstischen Tendenzen der Technik und dem Problem der eigentlichen Liebe. Alice Sebold, eine gute Freundin von mir, spricht gern davon, «in die Grube einzufahren und jemanden zu lieben». Sie hat den Schmutz im Sinn, den die Liebe unausweichlich auf den Spiegel unserer Selbstachtung spritzt. Es ist eben so, dass der Versuch, ständig zu gefallen, mit Liebesbeziehungen unvereinbar ist. Früher oder später findet man sich doch in der schrecklichen Schreierei eines Streits wieder und hört Sachen aus dem eigenen Mund kommen, die einem ganz und gar nicht gefallen, Sachen, die das Selbstbild vom fairen, coolen, attraktiven, beherrschten, witzigen Menschen, der gefällt , zertrümmern. Da ist etwas, das wirklicher ist als die Möglichkeit zu gefallen, aus einem zum Vorschein gekommen, und auf einmal hat man ein richtiges Leben. Auf einmal geht es um eine echte Wahl, nicht eine künstliche Konsumentenentscheidung zwischen einem BlackBerry und einem iPhone, sondern um eine Frage: Liebe ich diesen Menschen? Und, auf den anderen bezogen: Liebt dieser Mensch mich? So etwas wie einen Menschen, von dessen wahrem Ich einem jeder Partikel gefällt, gibt es nicht. Deshalb ist eine Welt des Gefallens letztlich eine Lüge. So etwas wie einen Menschen, von dessen wahrem Ich man jeden Partikel liebt, aber gibt es. Und deshalb ist die Liebe für die technokonsumistische Ordnung eine so existenzielle Gefahr: Sie stellt die Lüge bloß.
Ermutigend an der Handy-Seuche in meiner Manhattaner Nachbarschaft ist, dass ich, neben all den SMS-Zombies und
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