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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Ahmed.
    Khalid zögerte kaum, bevor er antwortete. Er hatte keine Erklärung für das, was er gesehen hatte, aber er war alt genug, um zu begreifen, dass er in einer Welt lebte, in der Wissen gefährlich sein konnte.
    Später würde er für die tote Frau ein Gebet sprechen, nur für den Fall, dass sie rechten Glaubens war.
    Oder vielleicht sogar, wenn sie es nicht war.
    Und dann ein Gebet für sich selbst, weil er seinen Bruder anlog.
    »Nichts«, sagte er. »Nur die Rakete. Sonst gar nichts.«

[home]
    20. März 2002
     

1
    Warf die Schlinge
    E s war der letzte Wintertag und die letzte Nacht in Pal Macivers Leben.
    Als nur noch eine Viertelstunde blieb, musste er feststellen, dass der Tod noch merkwürdiger war, als er es sich vorgestellt hatte.
    Bis die Frau gegangen war, hatte er sich wohl gefühlt. Vom Treppenabsatz im ersten Stock hatte er beobachtet, wie sie, vom Nebel begleitet, durch die offen stehende Eingangstür trat. Sie betätigte den Lichtschalter. Nichts geschah. Sie stand in der Dunkelheit und rief seinen Namen. Nach all den Jahren hatte sie beinahe noch immer so viel Macht über ihn, um ihn zu einer Antwort zu bewegen. Es war ein kritischer Moment. Nicht im Sinne von entscheidend. Auch wenn sie nun auf dem Absatz kehrtmachen und einfach weggehen würde, wäre es kein Desaster. Es müsste bereits genügen, sie überhaupt hierher gelockt zu haben.
    Aber er hatte das Gefühl, dass Gott ihm mehr schuldete.
    Sie drehte sich zur offenen Tür. Der Winter, entschlossen, allen zu zeigen, dass er sich keinen Deut um den Kalender scherte, hatte seine schwindenden Kräfte noch einmal mobilisiert. Über den Hochmooren waren Schneegestöber niedergegangen, hier in der Stadt allerdings schaffte er es höchstens, das Tageslicht zu verdunkeln, zunächst mit tief hängenden Wolken, dann im weiteren Verlauf des Tages mit Nebel, der aus dem Umland hereinzog. Trotzdem fiel noch immer genügend Licht durch das schmale Fenster neben der Tür, damit sie den Kerzenstumpf und das Streichholzblättchen sah, die auf dem Fenstersims lagen.
    Seine Finger berührten den Mikrokassettenrecorder in der Hosentasche. Ohne ihn herauszuholen, drückte er auf den »Play«-Knopf. Zwei oder drei Takte Klaviermusik ertönten, dann schaltete er sie ab.
    Unten im Eingangsflur musste es so fern geklungen haben, dass sie wahrscheinlich daran zweifelte, überhaupt etwas gehört zu haben. Vielleicht hatte er es mit dem Dämpfen auch übertrieben, und sie hatte wirklich nichts bemerkt.
    Dann war das Zischen eines Streichholzes zu hören, einen Augenblick später sah er den bernsteinfarbenen Glanz der Kerze.
    Gott beglich vielleicht nicht alle seine Schulden, aber er zahlte die Zinsen.
    Immer schon praktisch veranlagt, schritt sie geradewegs in die Küche, in der hoch an der Wand der Sicherungskasten angebracht war. Er sah sie vor sich, wie sie hinauffasste. Er hörte ihren Ausruf, als die Abdeckung aufschwang und sich Dreck- und Staubschwaden lösten. Sie hasste es, sich schmutzig zu machen. Er hörte, wie der Hauptschalter nach unten gelegt wurde, und konnte sich ihren wachsenden Unmut vorstellen, als nichts geschah.
    Der Kerzenschein kehrte in den Flur zurück. Hier ergaben sich einige Möglichkeiten. Die beiden mit großen Erkern ausgestatteten Wohnzimmer, das Speisezimmer, das Musikzimmer. Ihre Wahl war vorherbestimmt. Sie ging zum Musikzimmer. Die Tür war verschlossen, aber der Schlüssel steckte im Schloss. Sie betätigte ihn. Er würde sich nicht drehen lassen. Sie versuchte es mit Gewalt, schaffte es aber nicht.
    Ein weiteres Mal rief sie seinen Namen, nichts Nervöses lag in ihrer Stimme, schon gar nichts Panisches, nur eine ruhige Klarheit, als riefe sie ihn zum Essen.
    Sie wartete auf eine Antwort, die, wie sie mittlerweile annehmen musste, nicht kommen würde.
    Er hätte darauf wetten wollen, dass sie nicht noch mehr ihrer kostbaren Zeit verschwenden wollte und einfach ging. Selbst wenn sie den Mumm haben sollte, zweifelte er, dass sie einen Grund darin sehen würde, mit dem flackernden Licht die düstere Treppe hochzusteigen, um sich den Erinnerungen zu stellen, die sie hier erwarteten.
    Falsch!
    Genau das tat sie.
    Er empfand fast so etwas wie Bewunderung für sie.
    Während sie näher kam, zog er sich, im Einklang mit ihren Schritten, zum oberen Treppenabsatz zurück. Wollte sie einen Blick auf das Schlafzimmer werfen? Er glaubte es nicht und hatte Recht damit. Sie ging sofort zur Tür des Arbeitszimmers und wollte sie öffnen.

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