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Welch langen Weg die Toten gehen

Welch langen Weg die Toten gehen

Titel: Welch langen Weg die Toten gehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Zeit und Sinn und Gefühl und allen Stricken der Erfahrung, die uns locker an das Leben binden, dass er den peniblen Vorbereitungen des Tatmenschen für jene Reise von der Vertrautheit des
Jetzt
in das Rätselhafte des
Nächsten
weit voraus war …
    Die Musik gelangte an ihr Ende. Der Beobachter konnte sie noch hören, der Gefühlsmensch aber hatte nur noch Ohren für die Worte des Gedichts, als würden sie von der weichen Stimme ihrer amerikanischen Schöpferin laut vorgelesen …
    Fühlte empor, ob dort ein Gott –
    Und unten nach sich Selbst
    … während der Tatmensch nach wie vor still seinem Geschäft nachging, den linken Schuh samt Socke auszog, das Gewehr, die Schulterstütze fest am Boden, zwischen die Beine brachte, die Fadenschlinge über den großen Zeh streifte, den Lauf mit beiden Händen umfasste und gegen die Schreibtischkante drückte, sich dann vorbeugte und die weiche Unterseite des Kinns hart auf die Mündungsöffnung presste.
    Nun spricht der Gefühlsmensch im Geist die letzten Worte …
    Streichelt’ zerstreut den Abzugsring
    Und ließ das Leben stehn.
    … während der Tatmensch den linken Fuß senkt, und der Beobachter, fast überrascht, noch Zeit hat, um zu sehen, wie die Kugel sich durch Kiefer und Gaumen brennt, Blut aus Mund und Nasenlöchern spritzen lässt und die Augen ausschlägt, bevor sie oben aus seinem Schädel austritt, in einer Fontäne aus Knochen- und Gehirnmasse, die über den Boden und den Schreibtisch und das aufgeschlagene Buch spritzt.
    Eine Millisekunde lang sind Verstand und Empfindung und Beobachtung in einem Bewusstsein wiedervereint.
    Dann sackt der leere Körper zur Seite, die Schallplatte erstirbt, die feine Asche aus dem Papierkorb setzt sich langsam, die Kerze tropft.
    Pal Maciver existiert nicht mehr.
    Außer in den Herzen und Köpfen und in dem Leben jener, die er zurücklässt.

2
    Patientenbetreuung
    S ue-Lynn Maciver räkelte sich, presste ihren nackten Körper träge gegen die Hand ihres Liebhabers und lachte.
    »Was?«, sagte Tom Lockridge.
    »Ich hab mir gerade gedacht, dass es mich hundert Mücken gekostet hat, als ich dich das erste Mal in mir gespürt habe.«
    »Warte erst, bis du für das hier die Rechnung bekommst.«
    Er klang unbekümmert, aber eigentlich wollte er nicht daran erinnert werden, dass er immer noch ihr Arzt war, so viel war ihr klar.
    Als Pal sich einen anderen Hausarzt gesucht hatte, war sein erster Gedanke gewesen, ihr Ehemann ahne etwas. Nachdem er sich allerdings vergewissert hatte, dass dem nicht so war, betrachtete er es als gute Gelegenheit für sie, ihn ebenfalls nicht mehr zu konsultieren.
    »Sei doch nicht blöd«, hatte sie darauf geantwortet. »Warum sollte ich den perfekten Vorwand für meine Besuche aufgeben. Willst du zu mir nach Hause kommen?«
    »Wenn es auffliegt, geht die Ärztekammer nicht gerade zimperlich mit Ärzten um, die ihre Patientinnen vögeln.«
    »Ach? Und was, meinst du, glaubt die Kammer, wie du zu so viel Geld kommst?«
    Als er ihren Kommentar nicht mit einem Lachen quittierte, sagte sie: »Entspann dich, Tom. Es wird nicht auffliegen, jedenfalls nicht durch mich. Ich hab mehr Gründe, es vor Pal geheim zu halten, als du bei deiner geschätzten Kammer. Oder, wenn wir schon dabei sind, bei deiner geschätzten Frau.«
    Sie meinte es ernst. Nichtsdestotrotz war ihr die Vorstellung, über ihren Liebhaber eine Macht ausüben zu können, die über dessen Lust hinausging, alles andere als unangenehm.
    Er zog seine Hand zwischen ihren Beinen fort und warf die Decke zurück.
    Sie sah auf ihre Uhr. »Warum so eilig? Wir haben noch mindestens eine Stunde.«
    »Muss nur aufs Klo«, sagte er und rollte sich aus dem Bett.
    »Warum müssen Männer nach dem Sex immer pinkeln?«, rief sie ihm nach.
    Er blieb in der Tür stehen. »Wenn ich zurück bin, zeichne ich dir ein Diagramm.«
    Sie verzog das Gesicht. Manchmal war es alles andere als angenehm, mit einem Mann zu vögeln, der so viel über das Innenleben des menschlichen Körpers wusste. Sie griff nach der Zigarettenschachtel, die neben ihrem Handy auf dem Nachttisch lag, und zündete sich eine an. Wahrscheinlich würde er ihr wieder seinen Anti-Raucher-Vortrag halten, was aber allemal besser war als eine geführte Tour durch seine Innereien.
    Ihr Handy klingelte.
    Sie ging ran. »Hallo.«
    »Sue-Lynn, hier ist Jason.«
    Sie fuhr zusammen, dann zwang sie sich, entspannt zu klingen.
    »Jase, solltest du nicht mit meinem Mann in einem Squash-Court einem kleinen

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