Wellentänze: Roman (German Edition)
Kapitel 1
I ch verstehe dich nicht, Julia!«
Julia wischte sich verstohlen die Speicheltröpfchen aus dem Auge und versuchte, sich außer Sprühweite zu bringen. Wenn sie geahnt hätte, dass Oscar sich sosehr darüber aufregen würde, dass sie sich von ihm trennen wollte, hätte sie nicht in seinem Auto davon angefangen. Sie hätte ihn zum Kaffee eingeladen, und es wäre ihm erspart geblieben, mit dem Ellbogen, dem noch empfindlichen Gelenk, aufs Steuerrad zu schlagen, was ihm jetzt bereits zweimal passiert war, und sie selbst hätte den feuchten Bekundungen seiner Bekümmerung aus dem Weg gehen können.
»Dieser ganze Unfug, dass du etwas ›Spaß‹ willst!«, fuhr er fort. »Dafür bist du doch wohl ein bisschen zu alt, oder?« Ein weiteres Tröpfchen empörter Nässe landete auf ihrem Ärmel.
»Ich bin erst vierunddreißig, ich stehe also nicht direkt mit einem Fuß im Grab«, erwiderte sie leise und durchwühlte ihre Tasche nach einem Papiertaschentuch.
»Vierunddreißig ist ziemlich alt, wenn man noch Kinder haben will! Und das, wo Mutter uns so ihre Hilfe angeboten hat, wenn wir noch welche bekämen!«
Julias Mitleid mit ihm schwand zusehends dahin. »Du meinst, dass sie uns angeboten hat, deine alte Kinderfrau aus dem Altersheim zu zerren, damit deine Sprösslinge aufs Töpfchen dressiert werden, kaum dass sie aus dem Mutterleib heraus sind! Hat sie eigentlich noch nie etwas von Wegwerfwindeln gehört?«
»Und sie hat auch angeboten, uns bei den Schulgebühren unter die Arme zu greifen!«
»Nur wenn wir einen Jungen bekommen, der intelligent genug ist, um das gute alte Sandings zu besuchen!« Dieser Seitenhieb galt Oscars Alma Mater, der letzten Schule auf Erden, in die Julia ihre Kinder schicken würde, falls sie jemals welche bekommen sollte.
»Nun, natürlich. Privatschulen sind teuer. Du kannst kaum von ihr erwarten, dass sie Tausende von Pfund ausspuckt für ein Mäd ..., für jemanden, der nicht so helle ist.«
Er brach ab, vielleicht weil er zum ersten Mal in seinem Leben bemerkt hatte, wie unmöglich er sich benommen hatte.
Julia brauchte einen Augenblick, um ihren Zorn herunterzuschlucken. Es hatte keinen Sinn, auf Oscar loszugehen. Er war mit jeder Faser seines Wesens sexistisch und elitär, und daran konnte er ebenso wenig etwas ändern wie an seiner Blutgruppe. Warum hatte sie bloß so lange gebraucht, um das zu erkennen?
»Ich weiß es durchaus zu schätzen, dass deine Mutter uns ihre Unterstützung bei den Schulgebühren angeboten hat.« Sie heftete den Blick auf sein Armaturenbrett aus Walnussholz, damit er ihr nicht ansah, dass sie log. »Aber ich möchte unsere Verlobung trotzdem lösen. Kinder sind im Moment nicht meine erste Priorität, und wir würden einander ohnehin nur unglücklich machen.«
»Warum hast du dich dann überhaupt bereit erklärt, mich zu heiraten?«
Die Frage war nur fair, aber obwohl Julia die Antwort kannte, würde sie Oscar etwas anderes erzählen. »Du bist sehr attraktiv. Deine Aufmerksamkeit hat mir geschmeichelt. Und ich liebe Sooty.«
Diese letzte Bemerkung war ein Fehler. Der Hinweis auf seinen halbwüchsigen schwarzen Labrador, der bei ihrer ersten Begegnung noch ein Welpe gewesen war, machte all ihre Versuche zunichte, Oscars Ego wieder aufzubauen.
»Sooty!« Oscar blinzelte verwirrt. »Was hat Sooty denn damit zu tun?«
»Nun, eigentlich gar nichts. Ich dachte bloß, ein Mann mit Hund wäre ein guter Kandidat zum Heiraten.« Julia hatte ihr Ziel ein wenig aus den Augen verloren. Sie wollte Oscar beschwichtigen, statt ihm das Gefühl zu geben, ein Refugium für unverheiratete, potenzielle Mütter zu sein, obwohl er traurigerweise genau das war. »Ich habe mich geschmeichelt gefühlt, Oscar«, wiederholte sie. »Aber dann ist mir klar geworden, dass ich niemals die Art Ehefrau sein könnte, die du brauchst.«
»Was soll das heißen?«
»Du hast gesagt«, erläuterte sie ihm geduldig, »es spiele keine Rolle, wenn ich bei der Beförderung übergangen würde, weil ich nach unserer Hochzeit ohnehin nicht mehr arbeiten würde.«
Er war mittlerweile von selbst darauf gekommen, dass das falsch gewesen war. »Aber warum hast du dann gekündigt? Wenn dein Job dir so viel bedeutet?«
Diesmal fiel es Julia schwerer, ihren Ärger zu unterdrücken. »Ich habe es dir doch erklärt. Sie haben Darren meine Abteilung gegeben, die Abteilung, die ich aufgebaut habe. Fast fünf Jahre habe ich dazu gebraucht, und er bekommt den Job, bloß weil er ein Mann
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