24 kurze Albträume (German Edition)
Detlef Klewer
Nebelwelt
»Hier steht, da habe jemand seine gesamte Familie ausgelöscht. Frau und drei Kinder. Richtig kleingehackt. Mit einem Beil.« Jan Bongers blickte von der Morgenzeitung auf, deren Ecke gerade in seine Kaffeetasse tauchte.
»Verdammt … hörst du mir überhaupt zu?«
Angewidert riss er das durchgeweichte Stück Zeitungspapier ab und warf es vor sich auf den Teller. Sein kleiner Sohn Max quietschte laut. Fröhlich beförderte er einen Löffel Milchreis über den Rand seines Kindergedecks. Mit kindlicher Präzision landete die Ladung auf der Tischdecke. Bongers Stimmung verdüsterte sich. Mit einem Messer versuchte er den Brei von der Decke zu kratzen, während Max vergnügt mit dem Löffel darin herumzustochern begann.
»Meine Güte, kümmere dich doch endlich einmal um die Tischmanieren deines Sohnes.«
»Mmmmh …« Seine Frau murmelte unverständliches, ohne die Lektüre ihrer Vogue zu unterbrechen.
»Ohne Motiv …«, nahm er seinen Gesprächsfaden wieder auf und beendete seine hilflosen Bemühungen, die Breireste zu entfernen.
»Nicht nur erschlagen«, fügte er nach einer Pause hinzu.
»Die ganze Wohnung war voller Blut und die einzelnen Gliedmaßen …«
Der Kopf seiner Frau zuckte hoch.
»Ja, ja … schon gut«, unterbrach sie ihn wütend, »Du solltest nicht in unappetitliche Details ausschweifen. Es interessiert mich überhaupt nicht, wenn so ein Psychopath seine Familie ermordet. Und blutrünstige Beschreibungen des Vorgangs kannst du auch für dich behalten. Das ist einfach nur ekelhaft!«
»Interessiert dich eigentlich überhaupt irgendetwas?« fragte er verstimmt. Jeden Morgen diese Frühstücksstreitereien.
»An dir … schon seit längerer Zeit nichts mehr«, antwortete sie spitz und vertiefte sich wieder in ihre Modezeitschrift.
Keinen Streit befahl ihm seine innere Stimme. Er verspürte wieder einmal Kopfschmerzen. Das anhaltende Gekreische seines Sohnes Max sorgte auch nicht unbedingt für Linderung.
Er erhob sich und ging zum Fenster. Max verteilte munter Brei auf dem Frühstückstisch, erntete ein halbherziges »Nun hör´ aber auf mit der Schweinerei« von seiner Mutter und krabbelte vom Stuhl, um seinem Vater zu folgen.
Der blickte resigniert durch die Scheiben. Man konnte kaum einen Meter weit sehen.
»Schon wieder dieser verdammte Nebel«, murmelte er. »Ich hasse diese elende Suppe!«
»Hasse Suppe«, echote Max und zerrte seinen Vater energisch am Hosenbein. Bongers atmete tief durch. Manchmal ging ihm dieses Balg wirklich auf die Nerven.
»Geh’ deine Milch trinken!« herrschte er ihn an, etwas lauter als beabsichtigt. Schon plärrte der Kleine los.
»Lass gefälligst deine schlechte Laune nicht an dem Kind aus!« Die schrille Stimme seiner Frau hallte schmerzhaft in seinem Kopf. Oh Gott, sie hatte solch eine unangenehme Stimme! Er fühlte sich benommen. Wie in Watte gepackt. Für Sekunden schloss er die Augen und atmete bewusst ein und aus. Als er die Lider wieder öffnete, bemerkte er eine Bewegung vor dem Fenster.
Da draußen … im Nebel … ging irgendetwas vor. Gebilde schienen sich zu formen, etwas nahm Gestalt an - und zerfloss wieder. Zuerst vermutete er eine Sinnestäuschung. Seine überreizten Nerven spielten ihm einen Streich. Er rieb sich die Augen, doch die tanzenden Schemen verschwanden nicht. Diffuses Licht drang aus dem sich verdichtenden Nebel, der zärtlich das Fensterglas zu betasten schien. Das unwirkliche Leuchten sandte ihm visuelle Reize voll seltsamer Schönheit, die Gefühle des Wohlbehagens in ihm weckten. Der Lichtnebel nahm ihn in seinen Bann, verzauberte ihn – bis eine Hand ihn jäh an der Schulter riss.
»Sieh mich gefälligst an, wenn
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