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Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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austauschten, während ihre Babys an Kräckern und Fäusten nuckelten.
    Sie beobachtete die Kleinen und spürte eine Sehnsucht, eine Leere in ihrem Bauch, die nichts mit Hunger oder Lust zu tun hatte.
    Sie hatte nie ein Kind in sich getragen. Sie hatte zuvor kaum eines in Menschengestalt zu Gesicht bekommen.
    Die meisten Selkies beschlossen, am Strand niederzukommen und unter den Wellen zu leben, bis ihre Kinder reif für die Verwandlung waren. Oder zumindest bis sie entwöhnt waren und aus eigener Kraft überleben konnten.
    Babys waren noch abhängiger als Hundewelpen, dachte Margred, während sie eine Mutter beobachtete, die ihr kleines Bündel im Tragesitz festschnallte. Hilflos. Nutzlos mit ihren kleinen, zupackenden seesternartigen Händen, den klaren, hellen Augen und dem breiten, zahnlosen Lächeln.
    Wie bedrohlich zu merken, dass sie ein eigenes wollte. Ein kleines Etwas an ihrem Herzen mit Augen, die so grün wie die See waren … Ihre Brüste wurden bei dem Gedanken daran schwer. Empfindlich.
    Die Mutter hob die Plastikmuschel auf, in der ihr Säugling lag, und rief Regina hinter der Theke zu: »Bis bald, Reggie.«
    Regina winkte. Das winzige Kruzifix des ermordeten Christus schimmerte an ihrem Dekolleté. »Wiedersehen, Sarah.«
    Der große Mann, der auf sein Kleingeld wartete, trat von einem Bein auf das andere; die Tüte mit seinem Essen zum Mitnehmen knisterte dabei. Etwas an dem Geräusch berührte Maggies Nerven wie Rauch. Die Härchen an ihren Armen stellten sich auf.
    Aber sie war abgelenkt durch das Baby und die Frau, die mit der schweren Eingangstür kämpfte.
    »Sie haben Ihre Tasche vergessen.« Margred ergriff den Beutel voller geheimnisvoller Babysachen und hielt ihn hoch.
    »Ups.« Die junge Frau stemmte die Tür mit der Hüfte auf und wechselte den Babysitz von einer Hand in die andere. Der Säugling strampelte mit seinen bestrumpften Füßchen.
    »Ich kann sie Ihnen zum Auto tragen«, bot Margred an.
    Sarah lächelte. »Das wäre toll. Danke.«
    Margred half ihr mit der Tür und der Tasche. Sie sah vom Bürgersteig aus zu, wie die junge Frau und ihr Baby davonfuhren. Ein unerklärliches Gefühl des Verlusts riss an ihr.
    Das silberne Band der Straße, ein heller Grünstreifen und eine Reihe steiler Hausdächer führten zum Hafen hinab. Dunkle Masten und weiße Segel erhoben sich über der tiefblauen See. Der Wind trug den Geruch von Booten, Fischen und Treibstoff heran sowie die Schreie der Vögel, die den Bugwellen folgten.
    Zu viele, um sie zu zählen, dachte Margred, als sie sie über dem Hafen kreisen sah. Sie schwangen sich in die Lüfte, stürzten wieder herab und beschrieben Spiralen im Wind. Sie ließen sich hin und her tragen, als suchten sie etwas.
    Sie hielt den Atem an. Als suchten sie jemanden.
    Sie?
    Während sie ins Restaurant zurückeilte, zerrte sie am Band ihrer Schürze. »Ich gehe.«
    Regina, die gerade den Zuckerspender auffüllte, sah auf. »Alles okay?«
    »Mir geht’s gut. Aber ich muss gehen.«
    »Es sind noch zwanzig Minuten bis zum Ende deiner Schicht.«
    Margred blinzelte. Wie immer war sie sprachlos über diese Unterwerfung der Menschen unter die Zeit. Sie wollte
jetzt
gehen.
    Und dann begriff sie. Sie wartete seit drei Tagen auf eine Antwort von Conn. Was waren da weitere zwanzig Minuten? Wann hatte sie angefangen, ihre Existenz in messbare, gleichmäßige Abschnitte zu unterteilen? Mit zitternden Händen band sie sich die Schürze wieder um.
    »Zwanzig Minuten«, sagte sie.
     
    Maggie hatte einen Körper, der jedem Mann auffiel und den kein Mann wieder vergessen konnte.
    Also warum zum Henker hatte sie niemand gesehen?
    Caleb rieb sich den Nacken. Vielleicht hätte er die Kais mit einem Pin-up-Foto bewaffnet abklappern sollen und nicht mit einem Porträt. Aber noch auf einem grobkörnigen Bild, das Maggie mit Blutergüssen und einer frischen Wundnaht auf der Stirn zeigte, war ihre Schönheit unverkennbar. Unvergesslich.
    »Ob ich sie erkenne? Klar.« Henry Tibbetts schob seine Baseballkappe mit dem Daumen nach oben und kratzte sich an der Stirn. »Das ist Maggie, Antonias neue Kellnerin. Ich dachte, ihr beiden seid … na ja … zusammen.«
    »Ja, sie kommt mir wirklich bekannt vor.« Stan Chandler spuckte über die Reling seines Boots, der
Nancy Dee.
    Caleb rang seine Ungeduld nieder und wartete, während Stan das Foto studierte. Wasser klatschte gegen die Spundwand. Rostendes Schmiedeeisen bildete auf dem langgezogenen, gescheuerten Deck Flecken, als

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