Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wellentraum

Wellentraum

Titel: Wellentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
Vom Netzwerk:
hatte sie sich einen Platz in seinem Haus erobert. In seinem Leben.
    In
seinem
Leben, dachte Caleb, und sein Magen machte einen Satz. Aber er nicht in ihrem Leben.
    Bevor Maggie auf die Insel gekommen war, hatte sie ein anderes Leben gehabt. Darüber mussten sie hinwegkommen, bevor sie weitermachen konnten.
    Wie sonst sollte er für ihre Sicherheit sorgen?
    Wie sonst konnte er sicher sein, dass sie nicht wieder gehen würde?
    Er öffnete die Tür zum Vorzimmer. »Edith.«
    »Chief.« Sie drehte sich um und drückte ihm ein Blatt Papier in die Hand. »George Wiley sagt, dass irgendjemand fünfundzwanzig Pfund Eis aus der Tiefkühltruhe genommen hat, ohne zu bezahlen.«
    Caleb hob die Augenbrauen. »Eis?«
    »George ist ziemlich aufgebracht.«
    Caleb rieb sich den Nacken. Öffentlichkeitsarbeit, ermahnte er sich. »Irgendwelche Anhaltspunkte?«
    Edith warf den Kopf zurück. »Ich habe gehört, dass Bobby Kincaid morgen dreißig wird. Vielleicht planen die Jungs eine Party.«
    Caleb kannte Bobby. Zotteliges Haar, Flanellhemd, etwa Reginas Alter. In der Highschool-Zeit hatte er heimlich Bier hinter der Garage seines Vaters verkauft. »Gut. Ich rede mit George, bevor ich zu Bobby gehe. Mal sehen, ob er bereit ist, sich den Schaden bezahlen zu lassen, anstatt Anzeige zu erstatten. Ich wollte sowieso in seine Richtung. Zur Fähre.«
    Edith sah ihn über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Wollen Sie verreisen?«
    Caleb zwang sich zu einem Lächeln. »Ich will Maggies Bild herumzeigen.«
    Schon wieder.
    Er griff nach jedem Strohhalm. Das wusste er. Aber ihm gingen die Alternativen aus. Die Weitergabe von Maggies Beschreibung und Foto an das Büro des Sheriffs und die Staatspolizei hatte absolut nichts gebracht.
    »Ich dachte, Sie haben gesagt, der Kapitän hätte sie nicht wiedererkannt«, meinte Edith.
    Der Kapitän nicht. Und die Besatzung auch nicht.
    »Vielleicht tut es ja jemand anders«, erwiderte Caleb.
    Ein Tourist, ein Bauunternehmer, der Bauholz beförderte, eine Hausfrau, die mit ihrem Wocheneinkauf vom Festland zurückkehrte.
    Edith zuckte mit den Schultern. »Da fällt mir ein: Paula Schutte von Island Realty hat angerufen.«
    Caleb wartete. Er hatte bereits die Mietverträge des Maklers gesichtet. Keine Margred. Keine Margaret. Keine alleinstehende weiße Frau, die vor drei Wochen oder drei Tagen einen Unterschlupf auf der Insel gebucht hatte. Aber vielleicht hatte Paula ja mehr Glück gehabt.
    »Sie hat die Liste, um die Sie sie gebeten haben«, fuhr Edith fort. »Alle Grundbesitzer, die ihre Häuser selbst vermieten.«
    Doch nicht mehr Glück. Aber immer noch hilfreich. »Großartig. Richten Sie ihr bitte aus, dass ich ihr danke.«
    »Sie müssen sich nicht bedanken«, gab Edith scharf zurück. »Die Liste führt sie sowieso. Diese Frau geht jedem ungelisteten Grundstück auf der Insel nach.«
    »Das ist ihr Job«, erwiderte Caleb. »Man kann niemandem vorwerfen, dass er seinen Job macht.«
    Edith warf ihm erneut einen vielsagenden Blick über ihre Brille hinweg zu. »Manche Leute wissen einfach nicht, wann sie aufhören müssen.«
    Caleb lächelte ironisch. »Gut möglich«, sagte er und ging, um rechtzeitig zur Ankunft der Vier-Uhr-Fähre am Hafen zu sein.
     
    Die Vögel kamen, als Margred nach dem Mittagessen die Tische abwischte.
    Sie richtete sich auf, den feuchten Lappen in der Hand, und sah zu, wie sie plötzlich – leuchtend weiß gegen das Blau des Himmels – in Scharen über dem Hafen kreisten und Kapriolen schlugen. Ihr Herz erhob sich und flog mit ihnen im Wind um die Wette.
    Es gefiel ihr, im vorderen Teil des Restaurants zu arbeiten. Nicht nur wegen des Meerblicks und um dem Geklapper der Pfannen und Antonias Gekeife in der Küche zu entfliehen. Sie sah gern, wie Hercules auf seinem Fenstersims döste wie ein Seehund in der Sonne und wie Nick, die Zunge zwischen den Zähnen, an einem Tisch malte.
    Sie hatte fast siebenhundert Jahre allein verbracht und selbst von ihrem Gefährten getrennt gelebt. Das Miteinander der Menschen faszinierte sie. Ihr Leben war so kurz und hektisch und so unterschiedlich in Beschäftigungen und Interessen. Sie mochte die Fischer, die hereinpolterten, wettergegerbt und müde, nach Schweiß und Meer riechend. Sie mochte die älteren Frauen, die sich mit ihrem weichen, behäbigen Körper auf den gepolsterten Sitzen niederließen, und die Familien, die um Wasserflaschen und Eiscreme anstanden. Sie mochte die jungen Mütter, die über Salat und Eistee Ratschläge

Weitere Kostenlose Bücher