Auf Befehl des Königs
Prolog
Grafschaft Anjou in Frankreich
November im Jahr des Herrn 1177
Der schwere Stoff des bodenlangen Gewandes bauschte sich raschelnd um ihre schlanken Beine, als Marguerite d'Alençon aufgebracht herumfuhr und den König in fassungslosem Entsetzen anstarrte.
"Sire! Ihr wollt mir doch nicht wirklich Eure Gunst entziehen."
"Ich bin Euch stets in Liebe zugetan, schöne Marguerite, auch jetzt, da Ihr mein Kind tragt. Aber eines muss Euch klar sein – der Titel und die Ehre der Königin an meiner Seite bleiben Euch verwehrt."
"Ihr haltet sie wie eine Gefangene, habt Euch ihre Macht und ihre Ländereien angeeignet. Es wäre Euch ein Leichtes, eine andere zur Gemahlin und Königin zu wählen."
Erst nachdem ihr die Worte entschlüpft waren, wurde ihr bewusst, wie gefährlich es war, den Unmut des Plantagenets herauszufordern. Nur darauf bedacht, ihre eigenen Ziele durchzusetzen, hatte sie ihre Grenzen überschritten. Indem sie ihre Gedanken laut aussprach, war sie entschieden zu weit gegangen.
"Es würde Euch wohl anstehen, nicht zu vergessen, dass Eleonores Ländereien bei unserer Vermählung rechtmäßig in den Besitz des Hauses Plantagenet übergingen und ich sie mit Fug und Recht wegen ihres schädlichen Einflusses auf meine Söhne unter Hausarrest stellen ließ. Es würde Euch weiterhin wohl anstehen, Euch nicht in die Angelegenheiten Eures Königs einzumischen."
Henry Plantagenet stand mit hoch erhobenem Haupt, gerötetem Gesicht und geballten Fäusten vor ihr, seine herrische Stimme hallte in dem weitläufigen Gemach wider. Der Zorn des Königs jagte Marguerite eisige Schauer über den Rücken. Sie wünschte sich, ihre unbedachten Äußerungen ungeschehen machen zu können.
"Sire, ich bitte um Vergebung für meine respektlose Rede. Aber ich erträume mir nichts sehnlicher, als Euch lieben zu dürfen, Euch Freude zu bereiten und zu dienen, das ist mein Begehr. Ich trage Euer Kind unter dem Herzen, und mein Herzenswunsch besteht darin, dieses Glück mit Euch zu teilen."
Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, ihre Worte völlig zurückzunehmen. Zu sehr hatte sie, die fest davon überzeugt war, ihm einen Sohn zu gebären, sich erhofft, Königin zu werden. Schließlich entstammte sie einem alten französischen Adelsgeschlecht und war geeignet, den Platz an seiner Seite einzunehmen. Das Blut, das in ihren Adern floss, ließ sich bis zu Karl dem Großen zurückverfolgen.
Aber sie war auch klug und realistisch genug, um ihren Stolz zu mäßigen. Marguerite sank mit geneigtem Haupt in einen tiefen Hofknicks zu seinen Füßen und verharrte lange in dieser demütigen Haltung. Nach einer Weile hob sie seine Hand an ihre Lippen, hauchte einen ehrerbietigen Kuss darauf und berührte seinen Handrücken mit der Stirn.
"Ich gehöre Euch, Henry", flüsterte sie ergeben. "Ich lebe nur dafür, Euch zu lieben und zu dienen."
Ihre Worte beschwichtigten das aufbrausende Temperament des Königs, sein Atem beruhigte sich, sein Unmut schwand. Er half ihr beim Aufstehen und führte sie zu einem Stuhl. Nachdem sie sich gesetzt hatte, begann er schweigend auf und ab zu wandern. Marguerite war dieses Verhalten nicht fremd. Jedes Mal, wenn er mit unangenehmen und unerwünschten Situationen konfrontiert wurde, reagierte er aufbrausend und barsch, fasste sich aber rasch und wurde wieder umgänglich und aufgeschlossen.
Seine in Ungnade gefallene Gemahlin Eleonore von Aquitanien völlig zu verstoßen, würde bedeuten, sich mit den Kirchenfürsten und dem Hochadel anzulegen. Henry hatte keinesfalls die Absicht, sich noch stärker in Auseinandersetzungen auf dem Kontinent und mit den Adeligen im eigenen Herrschaftsgebiet zu verstricken. Zwar hatte Eleonore von Aquitanien heimlich eine Revolte ihrer Söhne gegen ihren Vater Henry unterstützt, doch dem König lag daran, eine friedliche Lösung zu finden, um einerseits die Königin endgültig zu entmachten, ohne andererseits den Fehler ihres ersten Gemahls, Louis VII., König von Frankreich, zu begehen, der bei der Auflösung seiner Ehe mit ihr gezwungen gewesen war, seinen Landbesitz an Eleonore abzutreten.
Marguerite griff nach dem Kelch, um ihre trockene Kehle mit einem Schluck des süßen Weines anzufeuchten. Mit heimlichen Blicken folgte sie dem rastlosen Umhergehen des Königs und hatte bald den Eindruck, Henry beginne sich allmählich mit ihren Gedanken anzufreunden. Sie lehnte sich im hohen Stuhl zurück und wartete. Es wäre nicht ratsam gewesen, ihn jetzt in
Weitere Kostenlose Bücher