Weltraumpartisanen 07: Testakte Kolibri
Mundharmonika mit.«
Ich beschloß, dieses eine Mal über den Verstoß gegen die Dienstvorschriften hinwegzusehen. Von Morgen an jedoch würden strengere Regeln gelten.
3.
Meinen Start mit der Nummer Neun hatte ich für 08.00 Uhr Ortszeit ansetzen lassen. Beim Frühstück nahm ich mir ein letztes Mal die von Manuel Vargas geführte Testakte vor. Darin registriert waren sämtliche Starts und Landungen sowie die besonderen Vorkommnisse.
Die Testakte stellte der Nummer Neun ein gutes Zeugnis aus. Mit dem Triebwerk hatte es zu keiner Zeit irgendwelche Schwierigkeiten gegeben; sämtliche Operationen, ob im freien Raum, ob unter Wasser, waren planmäßig und zur vollsten Zufriedenheit des verantwortlichen Piloten verlaufen.
An der Nummer Neun gab es offenbar nichts auszusetzen. Dennoch konnte ich mich eines Gefühls des Unbehagens nicht erwehren.
Ich war gerade damit beschäftigt, meine Kombination zu überprüfen, als der Monitor zu summen begann. VEGA-Metropolis meldete sich und verband mich mit dem Direktor.
»Guten Morgen, Brandis.«
»Guten Morgen, Sir.«
John Harris’ vertrautes Gesicht wirkte beruhigend. Ein paar Stunden lang hatte ich tatsächlich fast vergessen, daß hinter all den Versuchen, die auf Espiritu Santu stattfanden, die bedeutendste Organisation stand, die je für die Zwecke der Raumfahrt geschaffen worden war.
»Der gestrige Unfall wird hier tief bedauert. Haben Sie für die Ursache schon einen Anhaltspunkt?«
»Noch nicht, Sir. Es wird nicht ganz einfach sein, die Ursache zu ermitteln.«
»Haben Sie schon ein Programm dafür?«
»Ich starte um acht mit der Nummer Neun. Alle anderen Starts sind bis auf weiteres gestoppt. Hinter dem Schreibtisch ist das Problem nicht zu lösen.«
Commander Harris runzelte ein wenig die Stirn.
»Ich nehme doch an, daß Sie sich zu nichts hinreißen lassen, Brandis. Keine überflüssigen Risiken, wenn ich bitten darf!«
»Sehr wohl, Sir. Und danke für den Anruf.«
»Mast- und Schotbruch, Brandis!«
Das Bild auf dem Monitor erlosch. Ich schaltete ab. Espiritu Santu war auf einmal für mich keine verlorene Insel mehr.
Es war höchste Zeit für diese Aufmunterung. Nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatten genügt, um mich von der allgemeinen Niedergeschlagenheit anstecken zu lassen.
Das Projekt Kolibri , so redete ich mir erneut zu, unterschied sich durch nichts von den vielen anderen Versuchsreihen der VEGA. Daß es dabei dann und wann auch zu einem Unfall kommen konnte, ließ sich leider nicht vermeiden. Wem dies nicht zusagte, tat besser daran, sich nach einem anderen Beruf umzusehen; als Testpilot war er jedenfalls fehl am Platz.
Als ich, in meinen Bewegungen durch die ungefüge Kombination behindert, den Transporter bestieg, um zum Start zu fahren, vernahm ich Geigenmusik. Sie kam aus der mir gegenüberliegenden Baracke, in der Grischa Romen wohnte.
Einen Atemzug lang zögerte ich, auf den Anlasser zu drük-ken. Romen übte. Doch was ich vernahm, war nicht der unbeholfene Versuch eines Dilettanten. Hier probte ein konzertreifer Virtuose die schwierige Kadenz aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart.
Ich vermeinte ihn vor mir zu sehen: er war ein untersetzter, breitschultriger junger Bursche mit olivfarbenem Teint und leicht melancholischen Augen, um die gleichwohl ein Kranz von Falten lag, der nur vom vielen Lachen herrühren konnte.
Grischa Romen war der erste Zigeuner, den ich unter dem fliegenden Personal der VEGA traf. Noch in der Nacht hatte ich mir seine Personalakte vorgenommen. Danach war Romen als Testpilot mindestens ebensoviel wert wie als Violinist.
Als er sich mir gestern vorgestellt hatte, war er mir auf Anhieb sympathisch gewesen. Nicht anders als Burowski war er über den Kolibri - er flog die Nummer Sieben - des Lobes voll. Der Flug, von dem er gerade zurückkehrte, war ohne alle Komplikationen verlaufen. Gleichwohl machte ich ihn mit den gängigen Funkregeln für den Landeanflug bekannt, in denen kein Wort über Mundharmonikamusik stand.
Nun, da ich ihn spielen hörte, konnte ich mich eines Lächelns nicht erwehren. In meinem Team verfügte ich nicht nur über einen Poeten, sondern auch über einen Teufelsgeiger.
Ich drückte auf den Anlasser, und der Staub wirbelte auf und hüllte mich ein. Fünf Minuten später war ich am Start. Die Mechaniker waren bereits zur Stelle. Neben der Nummer Neun parkte ihr großer Gerätewagen. Auch Osburg war erschienen, um die letzten Handgriffe zu
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