Wen das Grab ruft
liegende Schreckensgestalt. Sie rührte sich nicht. Einige Sekunden schauten wir uns sie an. Schließlich hatte ich mich auch gefangen und setzte mich in Bewegung, um mir das tote Monstrum aus nächster Nähe anzusehen.
Es hatte sich bei seinem Fall vom Baggerdach noch in der Luft gedreht und war so aufgekommen, dass es auf dem Rücken lag und wir in die hässliche Fratze schauen konnten. Die Flügel oder Schwingen waren unter seinem Körper vergraben.
Anfangen konnten wir mit dieser Gestalt nichts. Bill Conolly stellte die erste Frage.
»Hast du so etwas schon gesehen?« fragte er mich.
»Wie meinst du das?«
»Ja, diesen Typ - oder diese Art von Monster. Das ist doch ein Mittelding zwischen Mensch, Vampir oder Drache.«
Da hatte Bill recht. Ich warf einen Blick auf Suko, der zu den Worten meines Freundes genickt hatte. »Und es löst sich nicht auf«, erklärte er. Das wunderte mich auch. Normalerweise war es so, dass von geweihten Silberkugeln getroffene Monster vergingen. Manchmal wurden sie zu Asche oder veränderten sich zu widerlichen Schleimgebilden. Hier geschah nichts von beiden.
Wir umstanden es und schauten auf das seltsame Wesen herab, als könnten wir es hypnotisieren. Auch das Gesicht hatte sich nicht verändert. Nach wie vor wirkte es wie ein eingedrückter Affenkopf, mit einer Haut, die uns wie ein alter Apfel vorkam.
Angreifen würde es uns nicht mehr. Stellte sich die Frage, woher es gekommen war. Damit wandte ich mich an Bill.
»Aus dem See oder Tümpel!« erwiderte der Reporter.
»Toll, das weiß ich auch, aber wie kam es dort hinein?« Ich stieß Bill an.
»Das musst du wissen, denn du hast uns auf die Spur gebracht. Du wusstest, dass hier etwas lauert.«
»Ja, das stimmt schon«, gab Bill zu.
»Also.« Ich hatte ihn aufgefordert, zu einer Erklärung anzusetzen, und auch Suko schaute ihn fragend an.
Der Reporter griff zu den Zigaretten. Ich lehnte ein Stäbchen ab, während er sein Feuerzeug anzündete und die Flamme mit der Hand abschirmte. »Die ganze Sache ist ja die«, sagte er, den ersten Rauch gegen die dunklen Wolken am Himmel blasend. »Eigentlich hätte ich das Monstrum kennen müssen.«
Wir schauten ihn so perplex an, dass er lachen musste. »Ja, Freunde, das stimmt. Meiner Ansicht nach hat dieses Wesen sogar einen Namen. Es heißt Linus Burton.«
»Ein Monster mit einem menschlichen Namen?« warf Suko ein.
»So ist es«, erwiderte Bill. »Nur war es nicht immer ein Monster, wenn ihr versteht. Ich kannte Linus Burton als einen völlig normalen Menschen. Er war so etwas wie ein Kollege von mir. Wir haben hin und wieder für das gleiche Magazin Artikel geschrieben. Es heißt People and Nature, also Mensch und Natur. In der letzten Zeit beschäftigten sich die Artikel sehr stark mit Umweltproblemen: Waldsterben, Abgase, Katalysatoren und so weiter.«
»Aber was hat das mit diesem Wesen zu tun?« fragte ich.
»Das ist eben der springende Punkt«, erwiderte Bill. »Ich bin auch noch nicht dahinter gekommen.«
»Hat Linus Burton denn nichts gesagt?« hakte ich nach.
»Nur sehr wenig«, gab Bill zu. »Er war zumeist unterwegs. Eines abends rief er mich an.«
»Wann war das denn?«
»Vor zwei Tagen.«
»Er wandte sich deshalb an mich«, fuhr Bill fort, »weil er gehört hatte, dass ich mich mit Dingen beschäftige, die hin und wieder ein wenig aus dem Rahmen fallen. Seine Stimme klang ziemlich aufgeregt. Er sprach von einem seltsamen Grab, das Menschen locken oder anziehen würde. Sie gingen hinein und waren verschwunden.«
»Und dann?«
»Nichts weiter. Linus und ich machten aus, dass wir uns hier am Baggersee treffen wollten.«
»Weshalb nicht am Grab?« fragte Suko.
»Das hatte ich ihm auch vorgeschlagen. Er wollte partout nicht. Der Baggersee war für ihn interessant. Da würde ich ihm schon begegnen, sagte er und alles weitere erfahren. Habt ihr ihn gesehen?«
»Nein«, gaben wir zu.
»Ich auch nicht. Und da wir ihn alle drei nicht entdeckt haben, kommt für mich nur eine Lösung in Frage.« Bill deutete auf das Monstrum. »Dieses Wesen ist Linus Burton.«
Wir schwiegen. Einerseits wollten wir dem Reporter nicht widersprechen, andererseits war es kaum vorstellbar, dass es sich bei dem Monstrum um einen Kollegen unseres Freundes gehandelt haben sollte.
»Ihr glaubt mir nicht, wie?« fragte Bill.
Suko nickte, ich hob die Schultern. »Es fehlen einfach die Beweise«, fügte ich noch hinzu. »Die hätte uns Linus Burton ja geben sollen.«
Ich schlug einen
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