Wen das Grab ruft
anderen Weg ein. »Gehen wir einmal davon aus, dass wir es bei dem Wesen tatsächlich mit Linus Burton zu tun haben. Wie ist es dann möglich, dass er zu dem geworden ist, was wir hier von ihm sehen?«
»Das weiß ich auch nicht«, gab Bill zu.
»Es muss mit dem Grab zusammenhängen«, meinte Suko. »Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
Der Ansicht waren auch Bill und ich. Wobei der Reporter leider keine Ahnung hatte, wo sich dieses geheimnisvolle Grab befand. Er wusste auch nicht wie groß es war, ob es hier in der Umgebung seinen Platz gefunden hatte oder auf einem Friedhof oder in London zwischen hohen Häusern lag. Nur dass es existierte, war ihm bekannt.
»Dann werden wir es wohl suchen müssen«, fasste ich zusammen.
»Wer könnte noch davon gewusst haben?«
»Keine Ahnung.«
»Hatte dein Kollege Verwandte, gute Freunde, und wie sah es mit Frauen aus? War er verheiratet?«
»Glaube ich nicht.«
Ich lachte, auch Suko schmunzelte.
»Das weiß ich wirklich nicht. Er war mal verheiratet. Das liegt lange zurück. Ob er wieder den Sprung in die Ehe gewagt hat, kann ich nicht beurteilen, Darüber haben wir uns nicht unterhalten. Glaube ich aber auch nicht. Linus war mehr ein Einzelgänger. Wenn es ihm in den Kopf kam, packte er mitten in der Nacht seine Sachen und verschwand.«
»John, der Tote!«
Suko hatte gesprochen und auch Bill Conolly mit diesem knappen Satz alarmiert. Sofort drehten wir die Köpfe und schauten ihn an. Etwas Unheimliches geschah mit der Leiche. In ihrem Innern musste es kochen oder brodeln, denn aus den Poren der Haut drang feiner Rauch. Er stieg zitternd in die Höhe und nahm von Sekunde zu Sekunde an Dichte zu.
Wir taten nichts und schauten nur gespannt zu, wie sich die Sache entwickelte. »Der brennt von innen!« hauchte Bill. Da gab ich meinem Freund recht. Wärme verspürten wir nicht, aber der Rauch fand seinen Weg und das von uns nicht sichtbare Feuer oder die Wärme produzierte nicht nur den Qualm, sie schaffte es auch, die Haut des Monsters von der Innenseite her zu verändern. Es zeigte sich darin, dass sie brüchig wurde, austrocknete und immer weiter riss. Es war ein Vorgang, der uns alle schockte. Eingehüllt von dichtem Qualm wurde uns die Sicht auf den Toten völlig genommen. Zudem trieb der leichte Wind ihn auch in unsere Richtung. Wir husteten und gingen zurück, um den weiteren Vorgang aus der Entfernung zu beobachten.
Es vergingen tatsächlich Minuten, bis es soweit war, dass wir uns der Leiche nähern konnten, ohne das widerliche Zeug einzuatmen.
»Mein Gott!« hauchte Bill Conolly. Kopfschüttelnd stand er neben einem normalen Menschen, der vor unseren Füßen lag und sich nicht mehr rührte, weil er tot war.
»Ist das Linus Burton?« wollte ich wissen.
Der Reporter nickte. Also hatten unsere geweihten Silberkugeln doch gewirkt. Wenn auch mit größerer Verzögerung. Ich spürte in meiner Kehle ein rauhes Gefühl und merkte auch den Klumpen in meinem Magen. Ein paar mal noch schluckte ich, dann schaute ich mir das Gesicht genauer an.
Linus Burton trug sein Haar halblang. Es schimmerte schwarz. Und ein ebenso schwarzer Bart wuchs auch auf seiner Oberlippe. Die Augen blickten starr. Kein Funken Leben befand sich mehr in ihnen. Er war ein Mann in den besten Jahren gewesen. Vielleicht in unserem Alter. Dann hatte es ihn erwischt. Er war zu einem Monster geworden und hatte danach sein eigentliches Aussehen wieder zurückerlangt. Nur war er jetzt tot. Er würde uns nichts mehr sagen können, wir waren allein auf Vermutungen angewiesen. Natürlich auch auf dieses seltsame Grab, von dem wir nicht wussten, ob es existierte.
Durch die Verwandlung des Monsters in einen Menschen waren unsere letzten Zweifel beiseite geräumt worden. Hier hatte sich etwas getan. Ungewöhnliche und unheimliche Dinge geschahen. Irgend jemand, über den wir nicht Bescheid wussten, hatte seine Hände mit im Spiel gehabt. Von allein jedenfalls reagierte ein Mensch nicht so. Wer und was steckte dahinter?
Auch Suko beschäftigte sich mit den gleichen Gedanken und fragte mich: »Ob es unser gemeinsamer Freund Asmodis ist?«
Ich hob die Schultern und schaute auf das schwarze Wasser des Kiestümpels. Die Farbe kam mir plötzlich unheimlich vor. Der Wind zauberte kleine Wellen auf die sonst so glatte Fläche. Jenseits des anderen Ufers schob sich der Abbauhang in die Höhe. Eine düstere schiefe Ebene, auf der weder Bäume, Sträucher noch Gräser wuchsen. Suko hatte sich neben den Toten
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