Wenn Blau im Schwarz ertrinkt (Teil 1)
Drohung. Einen Sekundenbruchteil später wurde ihr Oberarm schmerzhaft von der Blondine umschlossen, sodass sie scharf nach Luft sog. „Oh, Entschuldigung … tut das etwa weh?" Céstine bohrte ihre Fingernägel noch tiefer in ihr Fleisch, dann zerrte sie Gwen hinter sich nach. „Na los, ein intimes Frauengespräch benötigt ein intimeres Ambiente.“
Während sie Céstine notgedrungen hinterher stolperte, gab diese bei einer vorbeilaufenden Bedienung eine Bestellung für eine Flasche Carigó – was auch immer das war – auf, die die Frau in das Red Corner im zweiten Stock bringen sollte. Daraufhin wurde sie genötigt, sich zwei Etagen voller Treppen hoch zu quälen, währenddessen sie sich wie eine alte Frau fühlte, deren Körper von reichhaltigen Lebensjahren gezeichnet war. Doch anders, als bei solch älteren Damen, wurde ihr kein gedrosseltes Tempo oder gar eine stützende Hand dargeboten. Alles, was sie bekam, war eine verführerische Blondine in knappem Outfit, die sie ungerührt handgreiflich zu einem „Frauengespräch“ schleifte.
ZWEIUNDZWANZIG
„ Machs dir ruhig gemütlich. Wir wollen uns doch nett und angenehm unterhalten“, züngelte Céstine und strich ihr über die Wange, als wären sie Vertraute.
Ruckartig trat Gwen einen Schritt zurück und verbarg dabei ihren pochenden Schmerz, jedoch nicht ihre Abneigung der Sensatin, diesem Ort und dieser Situation gegenüber.
Céstine gab ein abschätziges Lachen von sich und schloss die Tür.
Widerwillig ließ sich Gwen auf das prunkvolle Sofa am anderen Ende des Raums sinken und gewährte ihren Augen einen Blick durch den Raum. Es war ein kleines Zimmer, das gemessen an den roten Seidenvorhängen, der schwarzen Couchlandschaft aus Samt, dem ovalen Glastisch und den sonstigen kleinen Sesseln, Hockern und Kommoden ein bisschen wie ein französischer Wohnraum mit orientalischem Flair wirkte. Mit einer extravaganten und edlen Note versetzt. Offensichtlich ein Raum für verbale Begegnungen. Denn wäre er noch für etwas anderes gedacht, wären sicherlich ein Bett oder sonstige Liebesspielplätze zu finden gewesen.
Céstine würdigte ihr Platznehmen mit einem falschen Lächeln und ließ sich auf der Couch, schräg gegenüber von ihr, nieder. Elegant lehnte sie sich zurück gegen die weiche Lehne und schlug ihre langen Beine übereinander.
Ein paar Momente später klopfte es und die Bedienung stand im Türrahmen. Mit einem knappen „Stell alles auf dem Tisch ab“, fertigte Céstine sie ab und wandte sich wieder ihr zu – immer noch ein falsches und unheilverkündendes Grinsen im Gesicht tragend.
Erst als die junge Frau ein gläsernes Tablett mit zwei Gläsern und einem Glasflakon, der eine purpurne Flüssigkeit enthielt, abgestellt und den Raum wieder verlassen hatte, brach Céstine ihr Schweigen. „So … nun sind wir endlich mal unter uns. Keine Männer, die uns ablenken könnten. Keine toten Daddys, deretwegen Tränen vergossen werden müssten …“
Gwen biss sich auf die Zunge. So fest, dass sie fast schon Blut im Mund schmecken konnte. Ihr war klar, dass die Blondine sie provozieren und verletzten wollte. Doch diese Genugtuung wollte sie ihr nicht verschaffen. Weder jetzt, noch später. Doch was auch immer Céstine mit ihr vorhatte. Dies war lediglich der Anfang, das Anstimmen der Instrumente. So viel war sicher.
„Ich wüsste zu gerne, was gerade in deinem Köpfchen vor sich geht. Vielleicht sollte ich einfach mal ein bisschen Ärztin spielen und daran rumschnippeln, sodass ich ins Innere blicken kann. Was meinst du? Die andere Seite einzunehmen wäre doch sicher auch mal interessant für dich? Von der Aufschneiderin zur Aufgeschnittenen …“
Céstine gab ein klingendes Lachen von sich, das wohl ihrer eigenen Wortgewandtheit gelten sollte.
Gwen ballte die Hände zur Faust und presste sie in das Sofakissen unter sich.
„Weißt du, ob du es glaubst oder nicht: Ich habe viel mehr über dich zu hören bekommen, als du vermutest. Nicht, dass ich darum gebeten habe, aber … Nikolaj hat seinen Mund nicht immer ganz in seiner Gewalt. Du musst wissen, dass er beim Sex ein überaus intensiver Liebhaber ist, der sich leicht verlieren und Dinge aussprechen kann, von denen er nicht unbedingt wollte, dass sie jemand zu hören bekommt. Vielleicht tut er das aber auch nur bei mir … derart intensiv versinken und sich verlieren. Weil ich ihn einfach in überdimensionale Höhen entführen kann, wie es sonst keiner vermag. Er kann in der Tat
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