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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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definiert. Schuld, weil sie lebt, weil sie Dinge braucht, Dinge verbraucht, weil sie den Wasserhahn aufdreht oder die Flamme des Gasbrenners entzündet.
    Der Minutenzeiger kriecht, die Sekunden ticken dahin, und sie spült ihr Haar zum zweitenmal aus und dreht neun Sekunden vor der Zeit beide Hähne zu. Zitternd trocknet sie sich rasch ab, bevor sie mit Tims Elektrorasierer über ihre Beine fährt und ein trockenes Handtuch um den Kopf wickelt. Trotz des Dampfs und des hartnäckigen Geruchs der diversen Duftstoffe, die die Hersteller irgendwie in ihre angeblich geruchsneutralen Kosmetikprodukte schmuggeln, riecht sie die ganze Zeit verbranntes Fleisch. Womit behandeln die den Speck eigentlich? Mit Salz und Karzinogenen, womit sonst? Durch die beschlagene Badezimmertür kann sie hören, dass ihre Mutter in der Küche die leichte Unterhaltungsmusik aus dem Radio mitsingt.
    Gestern abend, gerade als sie sich zum Essen setzen und den Film ansehen wollte, den sie auf dem Heimweg von der Arbeit in der Videothek ausgeliehen hatte (einfache Kost: brauner Reis und Wokgemüse, dazu Madame Bovary , in der ersten Verfilmung von Jean Renoir), läutete es. Sie drückte die Stopptaste, als die vollbusige Emma mit den gestrafften Schultern, dem Kussmündchen und den messerdünnen Augenbrauen der dreißiger Jahre auf einem bukolischen Bauernhof mit muhenden Kühen und saugenden Ferkeln zum erstenmal dem Landarzt gegenübertrat, und dachte, es sei vielleicht irgendein Vertreter, doch vor der Tür standen ihre Mutter und ihr hagerer Stiefvater, der Alkoholiker, mit Einkaufstüten in den Händen. Ihre Mutter bestand darauf zu kochen – »Wir haben einen Riesenhunger, und du weißt ja, wie ich diese Raststätten hasse« –, und zehn Minuten später standen sie alle drei in der winzigen Küche, sie selbst mit Sake on the rocks und ihre Mutter und Ed mit großen Gläsern voller Wodka, versehen mit einem Schuss Diät-Tonic und einem papierdünnen Streifen Zitronenschale, und ihre Mutter rührte rasch eine Tomatensauce zusammen. »Natürlich vegetarisch, Schätzchen, mit Auberginen, Paprika und Pilzen und ein bisschen Putenwurst für deinen Vater. Ed, meine ich.«
    Erst als sie an dem kleinen Arbeits- und Esstisch in der Küche saßen und die Drinks zum zweitenmal nachgeschenkt worden waren, als Reis und Wokgemüse zum späteren Verbrauch in einer Tupperwaredose ganz hinten im Kühlschrank verstaut waren und die Nudeln auf den Tellern dampften, fragte ihre Mutter, wo Tim eigentlich sei. »Macht er Überstunden oder so?« Sie beugte sich über ihre Spaghetti und schwenkte ihr Glas, so dass die Eiswürfel leise klirrten. »Alles in Ordnung zwischen euch?«
    »Ja«, sagte Alma und hatte dabei das Gefühl, der Wahrheit oder jedenfalls ihrem Kern auszuweichen, obwohl das überhaupt nicht der Fall war und sie und Tim sich so nahe waren wie noch nie zuvor. »Prima. Er ist diese Woche auf der Insel.«
    Ihr Stiefvater – er hatte weiße Haare und ein Hüftleiden und war sechs Jahre älter als ihre Mutter, sah aber so aus, als wäre der Altersunterschied zwischen ihnen doppelt so groß – wickelte ein paar Spaghetti um seine Gabel, legte diese dann hin und sagte: »Wie läuft’s denn dort so? Gut?«
    Sie war sich bewusst, dass der Blick ihrer Mutter auf sie gerichtet war, und antwortete automatisch: »Ja, gut, sehr gut.«
    »Hast du den Artikel gekriegt, den ich dir geschickt hab? Aus der Sun ?« Ihre Mutter beugte sich vertraulich vor. Sie hatte ihr Essen noch nicht angerührt – das war ihr Muster: reden, trinken, noch ein bisschen mehr reden und das Essen kalt werden lassen. Die Wurst, die sie an die innere Rundung des Tellers gelegt hatte, war säuberlich in sechs oder sieben Stücke geschnitten, doch keins davon war in ihren Mund gewandert.
    Mit einemmal war ihr Kopf leer. Artikel? Was für ein Artikel?
    »Den über die Proteste? Auf dem Foto war euer Gebäude zu sehen, auch das Fenster von deinem Büro im ersten Stock, und im Vordergrund waren … na ja, Demonstranten eben, mit Schildern und so.« Ihre Mutter sah kurz zu Ed und dann wieder zu ihr. »Dein Name wurde drei- oder viermal erwähnt. War es viermal, Ed?«
    Ed nickte unbestimmt. Er war mit den Gedanken ganz woanders, und seine Frage Wie läuft’s denn dort so? war nichts als der Versuch gewesen, höflich zu sein. Er hatte an der Schule ihrer Mutter Sport unterrichtet, und die beiden hatten erst geheiratet, als Alma bereits Doktorandin gewesen war. Er kannte sie kaum, und Tim

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