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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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kannte er noch weniger – die beiden waren einander ein- oder zweimal begegnet, als Ed in Gesellschaft ihrer Mutter eine seiner seltenen Reisen an die Küste gemacht hatte. Er mochte Sport. Redete gern über diese oder jene Mannschaft und zitierte Sportstatistiken. Von Vogelpopulationen, Ökologie, der Zerstörung der Inseln und den Inseln selbst wusste er so gut wie nichts, und das wenige, was er wusste, war unbestimmt und berührte ihn ebensowenig wie die Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien oder bei den Dayaks in Borneo. Sie warf ihm das nicht vor. Er war wie alle, er lebte in der Welt der Gesellschaft, der Wirtschaft, des Fernsehens und des Vergessens.
    Der Ton ihrer Mutter war vorwurfsvoll. »Ich hab deinen Namen mit dem Stift eingekreist. In Blau. Mit dem blauen Stift, den ich immer für die Kreuzworträtsel nehme, das weiß ich noch genau. Und sag nicht, ich hätte ihn nicht abgeschickt – so vertrottelt bin ich noch nicht.«
    »Nein, du hast ihn abgeschickt, Mom, vielen Dank. Er liegt irgendwo herum, wahrscheinlich im Büro – ich versuche, für jedes Projekt eine Akte anzulegen mit Reaktionen der Öffentlichkeit und so weiter, damit man später darauf zurückgreifen kann. Nicht dass sich irgend jemand wirklich dafür interessieren würde.«
    In diesem Moment überkam sie ein vertrautes Gefühl der Angst, das Gefühl, dass die Dinge außer Kontrolle geraten waren und dass es eine bestimmte Aufgabe gab, die abgeschlossen werden musste, damit alles wieder in Ordnung war, nur dass sie nicht genau sagen konnte, nicht mehr genau wusste, worin diese Aufgabe eigentlich bestand. Tatsache war, dass AP die Story über die Proteste vor dem Gebäude des National Park Service aufgegriffen und jede Tierschutzgruppe im Land sich begierig darauf gestürzt hatte. Dave LaJoy – sein Freispruch lag inzwischen zwei Jahre zurück, und noch immer trug er den Triumph vor sich her wie eine Brust voller Orden – führte die Demonstration aus dreißig oder vierzig Teilnehmern an; es waren hauptsächlich Studenten vom City College und der UCSB, die in einem großen Kreis marschierten und Parolen skandierten. Seit einem Monat ging das nun schon so, und sie parkte ihren Wagen inzwischen am anderen Ende des Hafens, wo die Restaurants und Souvenirläden waren, um dem Geschrei zu entgehen, das sie veranstalteten, wenn sie in Tims Prius auf den Parkplatz vor dem Büro fuhr.
    Morgen, zum Frühstück, würde sie sich in einem dieser Restaurants – dem Docksider – mit Frazier Carter von den Island Healers, Annabelle Yuell, die bei Nature Conservancy die Öffentlichkeitsarbeit machte, und Freeman treffen, und zwar um den Demonstranten aus dem Weg zu gehen und ungestört die Fortführung von Phase III des Wildschweinprojekts diskutieren zu können. Bei Omeletts. Und Caffè Latte. Und sehr süßem thailändischem Gewürztee. Mit einem Blick, der über die Masten der Boote hinausging, dorthin, wo der Ozean sich weitete und die Wellen dahinrollten bis nach Santa Cruz, wo Tim keine Alken beringte oder Nestlinge zählte, sondern Adler fing, Steinadler, die zurück aufs Festland gebracht werden sollten.
    Ihre Mutter sagte etwas, und es war, als wäre sie gerade erst aufgewacht. »Tut mir leid, Mom. Danke. Das meine ich wirklich. Danke, dass du an mich denkst. Es ist nur so, dass diese ganze Sache, dieses Projekt … kompliziert ist. Und ich habe nicht … ich weiß, ich sollte öfter anrufen, aber –«
    Ihre Mutter senkte den Blick und die Gabel auf den Teller. Sie wickelte die langen Nudeln mit Hilfe eines Suppenlöffels ordentlich um die Zinken und legte die Gabel wieder ab. »Das meine ich nicht«, sagte sie. »Ich will nur, dass du weißt, dass ich an dich denke.« Sie sah Ed an. »Wir haben jede Menge zu tun, musst du wissen – als wir noch unterrichtet haben, war unser Leben in mancherlei Hinsicht weniger hektisch als jetzt. Komitees, Bridge-Partien, Partys. Und Golf. Habe ich dir erzählt, dass Ed mir Golf beibringt?«
    »Ja«, sagte Ed und erwachte zum erstenmal, seit sie sich gesetzt hatten, zum Leben, »nicht mehr lange, und sie kann beim PGA-Turnier der Frauen mitmachen. Deine Mutter ist ein echtes Naturtalent, wusstest du das?«
    Ihre Mutter lächelte, ihre Augen blickten warm, sie hatte Grübchen. Der Wodka in ihrem Glas schimmerte silbrig, wie ein geläutertes seltenes Metall. Sie sah ihren Mann mit einem langen, schmachtenden Blick an – die beiden waren sich einig.
    »Nein«, sagte Alma und schüttelte mit übertriebener Geste

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