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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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Buschwerk unterhalb von ihnen hervor, gefolgt von seinem etwas kleineren, aber nicht weniger robusten und ebenso sonnenverbrannten Gefährten, der zwei weitere Hunde an der Leine führt. Die Männer sind identisch gekleidet: Gamaschen, Shorts, Ponchos, breitkrempige Hüte. Beide haben das gleiche Gewehr wie Frazier. »Herrgott, was für ein Tag«, ruft Clive mit seiner hohen, rauhen Stimme, die sich immer anhört, als würde er gleich ernstlich heiser werden. »Wir können von Glück sagen, dass wir die hier erwischt haben, denn die Viecher sind nicht blöd – solange es so regnet, bleiben die schön in ihren Verstecken.« Und dann, als hätte er sie gerade eben erst bemerkt, tippt er an die tropfnasse Hutkrempe und sagt: »Hallo, Alma. Schöner Tag heute, was?«
    Der andere Jäger – der sie nicht direkt ansieht, noch nicht – lässt die angeleinten Hunde los, damit sie sich schwanzwedelnd und mit kleinen Schulterstößen zu ihren Artgenossen gesellen können. »Das ist ein kapitaler Bursche, Fraze«, sagt er und nickt in Richtung des Keilers. »Schade, dass ich ihn nicht erwischt habe.«
    »Vielleicht will Alma die Hauer als Souvenir haben«, sagt Clive und sieht sie von der Seite an.
    »Ja«, sagt der andere, und jetzt blickt er auf, und seine Gedanken sind unverkennbar: Er ist ein gesunder junger Mann, der im Busch herumläuft und weiblicher Gesellschaft beraubt ist, und er hat sie im Nu ausgezogen, ihre Abschürfungen geheilt und den Schmutz abgewaschen, »aber sie weiß bestimmt, dass man dazu den Kopf abhacken und für ein paar Wochen vergraben muss, damit die Würmer sich darüber hermachen. Sonst brechen die Dinger ab, wenn man versucht, sie rauszuziehen.« Er hebt den Blick von dem toten Tier und sieht Alma an. »Ich bin übrigens A. P., das ist die Abkürzung für Arthur Peter – ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen.«
    Sie schüttelt seine ausgestreckte Hand – sie ist so kalt und nass wie ihre – und murmelt: »Ich bin Alma. Freut mich, Sie kennenzulernen. Aber wenn das soviel Aufwand ist, sollten wir den hier vielleicht lieber für die Raben liegenlassen.« Sie wendet sich zu Frazier, nicht schutzsuchend, nicht weil dieser Moment peinlich ist und sie das Verlangen spürt, das A. P. und Clive wie eine Aura umgibt, sondern weil sie sich wieder gut fühlt, oder jedenfalls besser, und auf keinen Fall zusammenbrechen oder sonst irgendeine Schwäche zeigen will angesichts des für diese Männer so selbstverständlichen Tötens und Sterbens. Des notwendigen Tötens. Das sie angeordnet hat. Als Boss und Aufseherin. »Oder, Frazier?« sagt sie in leichtem, scherzhaftem Ton.
    »Stimmt. Aber dadurch, und das ist eins von den Problemen, die man kriegt, wenn man mal mit so einer Aktion anfängt, kommt es zu einem unnatürlich steilen Anstieg der Rabenpopulation – das ist dir doch klar, oder? –, und niemand weiß, wie sich das auf den Inselhäher oder den Seitenfleckleguan oder die anderen Arten, die ihr schützen wollt, auswirken wird.«
    »Na gut«, sagt A. P. und lässt sich neben dem Kadaver auf ein Knie nieder, »wenn das so ist, dann werde ich mal ein bisschen Mund-zu-Mund-Beatmung machen und sehen, ob wir den hier wieder auf die Beine bringen.«
    Sie stehen im strömenden Regen in einem Canyon auf einer Insel im Pazifik, auf der im Augenblick nicht mehr als zwanzig Menschen sein können, und diskutieren die Wechselwirkungen der künstlichen Entfernung einer Spezies zugunsten einer anderen. In all den Jahren, die sie in Bibliotheken, Seminarräumen und an ihrem Schreibtisch im Studentinnenwohnheim damit zugebracht hat, Arbeiten zu schreiben und sich das Leben in der freien Natur vorzustellen, hätte sie sich das nicht träumen lassen. Aber es fühlt sich gut an. Es fühlt sich richtig an. Sie ignoriert A. P. und sagt: »Natürlich ist mir das klar. Wenn wir den Raben dieses Nahrungsangebot bereitstellen, wird ihre Zahl exponentiell ansteigen, und wenn es dann keine Kadaver mehr gibt, werden sie hungern und sterben, aber nicht ohne vorher noch jedes Nest ausgeraubt zu haben, das sie ausrauben können. Sie werden hinter allem her sein, was sich bewegt … aber das Risiko müssen wir eingehen. Ich meine, darum geht es ja eigentlich, oder?«
    Frazier nickt. »Ich wollte nur darauf hinweisen«, sagt er. Und fügt hinzu: »Keine Sorge.«
    Einer der Hunde winselt. Der Regen, der etwas nachgelassen hatte, wird wieder stärker. A. P. kniet und kaspert noch immer und sagt: »Nein, ich glaube, für

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