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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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behauptete Sylvie Ryerson, allerdings erst später – und schloss sich auf der Toilette ein. Inzwischen gab Todd Vollgas und fuhr enge Schleifen, ohne irgendeinen Grund, bloß weil es ihm Spaß machte. Es klapperte in den Schränken, und was nicht festgeschraubt war, rutschte über den Kajütenboden. Linda Cherwin wurde übel, und ihr Mann ging mit Jonas hinauf, um Todd zur Vernunft zu bringen, doch der saß mit steinernem Gesicht am Steuer und ignorierte sie.
    »Hören Sie mich?« Die Adern an Eds Hals traten hervor. Er war Bauunternehmer und gewohnt, Anweisungen zu geben. »Ich sage Ihnen, ich habe genug von diesem Quatsch, und es interessiert mich nicht, was zwischen Ihnen und Ihrer Frau läuft. Ich will, dass Sie wenden und uns an Land bringen. Lucinda ist übel. Uns allen ist übel. Haben Sie mich verstanden?«
    Todd sah ihn nicht mal an. Er riss das Ruder herum, als hätte er einen Wasserskifahrer im Schlepp, so dass die beiden gegen die Reling prallten.
    »He, Todd, komm schon, Mann, das bringt’s doch nicht«, redete Jonas ihm heftig schwankend zu. Sie waren alte Freunde. Er appellierte an Todds Vernunft. »Und das weißt du auch. Entweder ihr vertragt euch wieder, oder du bringst uns zurück – ich meine, du hast Lucinda eine Heidenangst eingejagt …«
    Letztlich wendete Todd tatsächlich – bei voller Geschwindigkeit und in einer so engen Kurve, dass sie beinahe gekentert wären –, aber während der ganzen Rückfahrt zum Hafen sagte er kein einziges Wort. Die Motoren liefen, als die Gäste ihr Zeug an Land brachten, der Gestank von Dieselabgasen lag in der Luft, und das Boot schaukelte noch auf der eigenen Kielwelle. Jonas war mittlerweile stinksauer, und als er auf dem Steg stand, drehte er sich zu Todd um und rief: »Weißt du was? Du kannst manchmal ein richtiges Arschloch sein.« Todd hob den Blick vom Armaturenbrett – er hatte schon wieder ein Glas in der Hand – und zeigte ihnen den gereckten Mittelfinger. »Waschlappen«, brüllte er so laut, dass die Leute auf den benachbarten Booten herumfuhren, »ihr seid nichts als Waschlappen! Alle miteinander!«
    Keiner sah ihm nach. Hätten sie es getan, so hätten sie gesehen, dass Laurie an Deck war und auf ihn losging. Sie fluchte und verwünschte ihn, ihr Haar flog, und ihre Fäuste trommelten auf seine nackte Schulter mit dem eintätowierten Cartoon-Skunk. Er stieß sie von sich. Worum es bei dem Streit überhaupt ging, sollte man nie erfahren. Die Anubis lief eineinhalb Stunden später mit eingeschaltetem Autopiloten in China Beach auf Grund. Es war niemand an Bord. Vermutlich war die Gewalt irgendwann derart eskaliert, dass die beiden ineinander verkrallt ins Wasser gefallen waren und das Boot seine Fahrt ohne sie fortgesetzt hatte. Todds Leiche, unversehrt bis auf ein paar Abschürfungen an den Unterarmen, wurde am Abend desselben Tages etwa dort geborgen, wo sie, wie man annahm, über Bord gegangen waren. Der Leichnam seiner Frau wurde erst im folgenden Winter gefunden, als sie, noch immer im Bikini und das Gesicht zum Himmel gekehrt, in Prisoners’ Harbor angespült wurde.
    Ohne ihre Mutter hätte Alma diese Geschichte nicht erfahren. Kat war im Internet darauf gestoßen und hatte den Artikel ausgedruckt und kommentarlos an ihre Tochter geschickt. Die Überschrift – Leichenfund auf Santa Cruz – war rot unterstrichen.
    Der Winter dauerte noch bis in den März, doch der Regen hörte abrupt auf, und in den Bergen fiel zwanzig Prozent weniger Schnee als sonst, was für den Sommer Wasserknappheit verhieß. Meteorologen sprachen über die Auswirkungen der globalen Erwärmung – als ob irgendeine Jahrszeit, für sich allein genommen, irgendwelche Rückschlüsse auf irgend etwas anderes als sie selbst zuließe –, und im Press Citizen stand eine Reihe aufgeregter Artikel über schmelzende Polkappen, das allmähliche Versinken der Malediven und die Gefahr von Tsunamis an der kalifornischen Küste, und das war auch ganz gut so, wenn es die Leute nur zum Nachdenken brachte. Dann war es April, eine immer wärmere Sonne kroch mit jedem Tag höher über den Himmel, und obwohl Alma wusste, dass sie für einen letzten ergiebigen Regen beten sollte, freute sie sich doch über die Gelegenheit, einen Strandspaziergang zu machen und Gesicht und Beine von der Sonne bescheinen zu lassen. Nach der grauen Tristesse des Winters und allem, was sie durchgemacht hatte, fühlte sich das besonders gut an. Diese Gerichtssache war ausgestanden und hatte sich

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