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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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rissigen Dielenbretter hinüber in das große Zimmer, wo alle aufsehen und grinsen.
    »Mensch, Alma«, ruft Frazier, und sein rotes Gesicht wird noch röter, »wir dachten schon, du hättest dahinten Drillinge gekriegt, dich einfach zusammengenommen und die Nabelschnur durchgebissen.« Er zwinkert den anderen zu, nimmt sein Glas von der rechten in die linke Hand, geht durch den Raum zu ihr, streicht über ihren dicken Bauch und verkündet: »Nein, Leute, sie sind noch dadrin. Und ich kann’s ihnen nicht verdenken – welches Baby, das noch alle beisammenhat, würde rauskommen wollen, wenn das erste, was es sieht, ein verdammter Haufen Trunkenbolde und Buschläufer ist?«
    »Damit kannst ja wohl nur dich selbst meinen«, sagt jemand. Allgemeines Gelächter.
    Annabelle kommt hereingeschwebt, schiebt Frazier freundlich beiseite und hält eine Flasche hoch, damit Alma sie in Augenschein nehmen kann. »Alkoholfreier Cidre. Vielleicht möchtest du ein Glas?«
    »Ja, gern«, sagt sie. Ihre Stimme ist leise und zart, mit einem leisen Flattern, das auch sie selbst bemerkt. »Das heißt, wenn es noch ein sauberes Glas gibt.«
    A. P. stößt demonstrativ einen unartikulierten Laut aus, wirft den Kopf in den Nacken und leert sein Glas in einem Zug. Dann wäscht er es in der Spüle aus, trocknet es umständlich mit der einzigen noch halb sauberen Ecke des Geschirrtuchs ab und reicht es ihr mit einer Verbeugung. Annabelle ist zur Stelle, schenkt aus der Cidreflasche ein und bringt einen Toast aus. »Auf Alma«, sagt sie. »Und das Baby!«
    »Oder die Babys«, wirft Frazier ein.
    »Du hast leicht reden« – Annabelle beugt sich vor und füllt ihr Glas aus der nächstbesten Flasche Pinot Grigio –, »du bist ja nicht derjenige, der dieses ganze Gewicht mit sich herumtragen muss.« Sie hält inne, sieht ihn nachdenklich an und tätschelt dann seinen Bauch. »Obwohl, wenn ich’s mir recht überlege …«
    »Ich schwöre, ich bin nicht schwanger.«
    »Sechslinge!« ruft A. P. »Weniger wäre« – er schwankt, grinst, versucht, aus der Flasche zu trinken und gleichzeitig den Satz sinnvoll zu Ende zu bringen – »unerträglich. Oder untragbar. Oder … oder was auch immer.«
    Der errechnete Termin ist in zweieinhalb Wochen. Alle wissen das, sogar Freeman Lorber, der sich alle Mühe gegeben hat, seine Autorität geltend zu machen, und, als ihre Schwangerschaft nicht mehr zu verbergen war, immer wieder betont hat, er stehe als Trauzeuge zur Verfügung, bis sie ihm klipp und klar gesagt hat, es werde keine Hochzeit geben, und das Ganze gehe ihn auch gar nichts an. Du musst dich nur darum kümmern , und hier hat sie ihre Stimme so hart werden lassen, dass Widerspruch unmöglich war, dass du während meines Mutterschaftsurlaubs eine Vertretung für mich hast – der wird allerdings nur eine Woche dauern, fünf Arbeitstage, du kannst dir diesen Gesichtsausdruck also gleich wieder abschminken. Sollte es irgendwelche Überraschungen geben – sollten die Wehen einsetzen, während sie noch auf der Insel ist –, bleibt noch genug Zeit, um zum Festland zu kommen, wenn nicht mit dem Boot, dann mit einem Hubschrauber. Aber das wird nicht geschehen, denn sie wird die letzte Woche zu Hause verbringen. Ihre Mutter wird dasein. Und Ed. Ed, der den Wagen volltanken und den Reifendruck prüfen und bereit sein wird, mit durchgetretenem Gaspedal zum Krankenhaus zu rasen.
    Nach dem Essen nimmt sie ihren Stuhl und setzt sich hinaus, um zuzusehen, wie das Licht über dem Hügel hinter der Baracke vergeht. Ihr Buch liegt auf dem Bett, aber sie braucht kein Buch, nicht hier, nicht heute abend. Alles ist still, die Schwalben sitzen in ihren Nestern, die Grashüpfer, die den Füchsen so gut schmecken, kommen im hohen gelben Gras zur Ruhe, die Farben der Gebäude, der Wiesen und des Buschlands verblassen und verschmelzen genau so wie auf den Diebenkorn-Bildern im Hauptgebäude – und Diebenkorn war ja hier, er hat genau hier gewohnt, als Freund und Gast von Carey Stanton, zu der Zeit, als das alles noch nicht öffentliches oder vielmehr treuhänderisch für die Öffentlichkeit verwaltetes Eigentum war. Daran denkt sie: wie es sein muss, das sanft Geschwungene, Tröstliche dieser Szenerie mit Ölfarben oder auch mit Bleistift einzufangen, wie beinahe unmöglich das sein muss. Und sie denkt an ihre eigenen letzten Versuche an gegenständlicher Malerei, in der siebten oder achten Klasse, die dann eher wie abstrakter Expressionismus wirkten, als Allison, eine

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