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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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hatte, Geld in das Boot zu stecken, »wird unsere Lebensmittelausgaben um die Hälfte senken, mindestens.«
    Sie hatte zu Hause Sandwiches gemacht – Leberwurst auf Weißbrot mit viel Senf und Mayonnaise, Schinken auf Roggenbrot und Thunfischsalat –, und als sie sich in die Kajüte setzten und sie mit großen hungrigen Bissen aßen und sich die Kehle mit Bier befeuchteten, so kalt, dass es runterging wie Quellwasser, da war es, als hätten sie die Welt hinter sich gelassen. Nach dem Essen saß sie lange auf dem Achterdeck. Die Luft war frisch und rein, und es war ganz still, bis auf das stete Brummen des Motors, das wie das beständige Arbeiten eines zuverlässigen Herzens klang, des Herzens im Bauch der Beverly B. , beruhigend und unermüdlich. Sie sah Delphine, ganze Schwärme, die silbern und hellrosarot durchs Wasser glitten und am Rumpf entlangstrichen, um das elektrische Summen zu spüren. Sie schienen ihr zuzugrinsen, sie willkommen zu heißen, und fühlten sich in ihrem Element so wohl wie sie in dem ihren. Wie war das noch mal – hatte sie es in der Zeitung gelesen oder in Reader’s Digest ? Ein Junge war auf seinem Surfboard von einer Strömung aufs Meer hinausgetrieben worden, und dann waren Haie gekommen, aber kurz darauf waren diese grinsenden Delphine aufgetaucht und hatten die Haie vertrieben, denn Delphine waren Säugetiere, Warmblüter im kalten Meer, und sie hassten die Haie, in denen sie kalte Todesboten sahen. Hatten sie das Surfboard des Jungen aus der Strömung und zur Küste geschoben und ihn wie Schutzengel begleitet? Vielleicht. Vielleicht hatten sie das getan.
    Die untergehende Sonne versank im Dunst vor ihnen, im Westen – »Im Westen will sie schlafen gehn«, holperte ihr der Kinderreim durch den Kopf. Sie legte die Füße auf die gefirnisste Reling und musterte ihre Zehen. Der Nagellack war abgeblättert, und sie nahm sich vor, neuen aufzutragen, wenn sich die Gelegenheit ergab, morgen früh vielleicht, wenn die Jungs angelten und sie in der Sonne liegen konnte und sich über nichts Gedanken machen musste. Der Motor summte. Dunkel geflügelte Vögel flogen vom Wasser auf, stürzten sich, wie an Gummibändern befestigt, wieder hinab und machten dabei nicht das leiseste Geräusch. Der Wind spielte mit ihrem Haar, sie zündete sich eine Zigarette an und sah durch die frisch geputzten Fenster zu ihrem Mann, der mit leichter Hand das Steuer hielt, während sein Bruder auf der gepolsterten Bank neben ihm saß und redete, immerfort redete, allerdings für sie eher pantomimisch, denn die Tür war geschlossen, und sie verstand kein Wort.
    Sie rauchte die Zigarette zu Ende und schnippte die funkensprühende Kippe in den Wind. Es wurde kühl, der Himmel verdunkelte sich und schloss sich über ihnen, als würde einem riesigen Topf ein Deckel aufgelegt. Noch eine Minute, und dann würde sie hineingehen und ihnen zuhören bei ihren Männergesprächen über Gott und die Welt, über die Fische im Meer, über die Vergaser und Spulen und Drehbänke und Lacke und Werkzeuge und Bürsten und Messfühler, die sie zu Männern machten, und sie würde zur Feier des Tages noch eine Flasche Bier trinken, auch wenn sie, ebenfalls zur Feier des Tages, bereits drei getrunken hatte – oder waren es vier gewesen? Genau in dem Augenblick, als sie aufstehen wollte, brach das Meer plötzlich auf wie ein speiender Mund und spuckte ihr etwas entgegen, ein dunkles Geschoss, das auf ihr Gesicht zielte. Sie riss den Kopf zur Seite, und es prallte mit einem vernehmlichen Klatschen an das Fenster der Kajütentür. Beide Männer fuhren herum.
    Sie stieß einen Schrei aus. Sie konnte nicht anders. Das Ding lebte, es flutschte vor ihren Füßen herum wie eine Art Fledermaus aus dem Meer, so lang wie ihr Unterarm, und jetzt bebte es und schnellte hoch wie ein Schachtelteufel, fiel wieder zurück und kroch auf Flügeln und Schwanz über das Deck. Flügel? Aber es war doch … es war doch ein Fisch, oder nicht? Doch jetzt war Till da, gefolgt von Warren, und sein Gesicht fand den Mittelweg zwischen Besorgnis und Belustigung. Er trat und stampfte, und dann beugte er sich hinunter, hob das nass glänzende lange Ding auf und hielt es mit seiner gesunden Hand hoch, als wäre es eine Opfergabe. »Herrgott, Bev, hast du mich erschreckt! Du hast so geschrien, dass ich dachte, du wärst über Bord gegangen.«
    Warren lachte, und seine Augen funkelten. Das Boot hörte auf zu schaukeln. »Darauf müssen wir anstoßen«, rief er und hob

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