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Wenn das Schlachten vorbei ist

Wenn das Schlachten vorbei ist

Titel: Wenn das Schlachten vorbei ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. C. Boyle
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gab alles, was in ihrem Magen war, von sich – der letzte Rest, beißend scharf wie Essig, kam zusammen mit einem langen, zähflüssigen Strom von Speichel. Sie schüttelte den Kopf, um klarer denken zu können, und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Dann stand sie auf und zog ihre Bluejeans und einen Pullover an, Tills Pullover, rauh wie Sackleinen, aber das Wärmste, was sie finden konnte. Wie war es nur so kalt geworden?
    Es dauerte eine Weile: Sie saß da und stellte sich trockenes Land vor, einen Strand auf der Insel, einen aus dem Meer ragenden Felsen, irgend etwas, das sich nicht bewegte – erst dann war sie imstande, aufzustehen und zur Kombüse zu gehen. Sie füllte Wasser in den Kaffeebereiter, schüttete Kaffeepulver direkt aus der Dose in den Filter, ohne sich die Mühe zu machen, es abzumessen – sie konnte kaum stehen, geschweige denn irgendwelche kleinlichen Regeln einhalten, und die Männer würden ihren Kaffee ohnehin stark trinken wollen –, und stellte dann alles auf den Gasbrenner. Doch das Ding schwankte und rutschte hin und her, bis sie auf den Gedanken kam, es mit dem großen Gusseisentopf einzukeilen, in dem sie, wenn sie angekommen waren, Fischsuppe kochen wollte. Wenn sie je ankamen. Was war eigentlich passiert? Spielte das Wetter auf einmal verrückt? War es ein Taifun? Oder ein Hurrikan?
    Sie sah entsetzlich aus, das wusste sie, und sie musste irgendwas mit ihren Haaren machen, doch sie kämpfte sich die schwankenden Stufen zum Cockpit hinauf und ließ sich dort auf die Couch fallen – oder vielmehr die Bank, die sie in eine Couch umgewandelt hatte, indem sie Schnüre an ein paar alte, karierte Polster aus der Garage ihrer Eltern genäht hatte. Die Fenster waren beschlagen, es war stickig und roch nach Männerschweiß und Schlamm vom Meeresgrund. Till war da und saß ihr gegenüber auf seiner Bank am Steuer, so nah, dass sie ihn mit ausgestrecktem Arm hätte berühren können. Das Steuerrad bockte immer wieder, und er hielt es mit der Linken fest, während er mit der unbeholfenen, steifen Rechten den Gashebel vor- und zurückschob. Warren beugte sich mit grimmigem Gesicht über ihn. Keiner von beiden schien sie bemerkt zu haben.
    Erst da wurde ihr bewusst, wie hoch die Wellen waren, die auf sie zurollten – aufragende schwarze, flüssige Vulkane, die das Boot ins Leere fallen ließen, um es gleich darauf wieder hochzureißen, während Wassermassen gegen die Fenster prallten, als wären dort draußen hundert aus allen Schläuchen spritzende Feuerwehrwagen aufgefahren. Es gab auch einen Rhythmus: auf, ab, auf, und jedesmal klatschte Wasser gegen die Scheiben. »Wo sind wir?« hörte sie sich fragen.
    Till sah nicht auf. Er war wie erstarrt, nur seine Arme und Schultern bewegten sich. »Keine Ahnung«, sagte Warren und sah über seine Schulter. »Irgendwo zwischen Anacapa und Santa Cruz, aber wer weiß das schon genau bei diesem Sturm?«
    »Was wir brauchen«, sagte Till zögernd und mit gepresster Stimme, als wollte er seine Gedanken eigentlich gar nicht laut äußern, »ist ein windgeschützter Ankerplatz.«
    »Laut Karte wäre der nächste die Scorpion Bay, aber das –« Es krachte, als wäre das Boot frontal mit einem Lastwagen zusammengestoßen, und Warren mit seinen marinegestählten achtzig Kilo wurde wie ein leerer Sack gegen das Fenster geschleudert. Er rappelte sich auf, drückte den Rücken gegen das Glas und versuchte zu lächeln, was ihm misslang. »Das ist irgendwo vor uns, genau da, wo der Sturm herkommt.«
    »Wie weit?«
    Warren schüttelte den Kopf und hielt sich an der Stange fest, die an den Wänden des Steuerhauses montiert war. »Vielleicht zwei Meilen, vielleicht auch fünf. Ich kann nichts erkennen – du etwa?«
    »Nein. Aber jedenfalls brauchen wir uns keine Sorgen um Untiefen zu machen. Wir haben eine Menge Wasser unter uns. Eine ganze Menge.«
    Sie sah nach vorn, wo der Bug sich stampfend senkte, aber dort waren nur Wellen, eine auf dem Rücken der anderen, und sie kamen und kamen und kamen, unendlich und ungeduldig. Wieder wurde ihr übel. Sie dachte, sie müsste sich abermals übergeben, aber es gab nichts mehr, das sie von sich hätte geben können. »Was ist mit dem Wetter los?« fragte sie und musste die Stimme erheben, um den Wind zu übertönen, aber es war eigentlich keine Frage, sondern mehr eine Bitte um Beruhigung. Sie wollte, dass die Männer ihr sagten, dies sei nichts, mit dem sie nicht fertig würden, nur ein kleiner Sturm, der

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